Schatten Des Dschungels
»Was …«, beginne ich, verliere den Faden, fange noch einmal von vorne an. »Ich muss …«
»Ja, dann geh doch.«
»Klappe«, befehle ich ihm flüsternd, und wieder einmal hilft es, mich über ihn aufregen zu können. »Eben … da waren Goldgräber … ich … Sam, wie könnten die hier hingekommen sein? Mit dem Boot?« Vielleicht könnte ich das stehlen. Bloß keine falsche Rücksicht.
Doch Sam meint: »Die Wahrscheinlichkeit dafür beträgt nur zehn Prozent. In dieser Gegend sind die Flüsse voller flacher Abschnitte und Stromschnellen, über die müssten sie ihr Boot getragen haben.« Gerade will ich ihn fragen, wie zum Teufel die Typen dann hergekommen sind, da höre ich Schritte, Laub raschelt.
Ich springe auf, Angst brennt durch meinen Körper. Verdammt, wieso bin ich nicht gleich weitergelaufen? Ich muss weiter! Doch dann zögere ich, irgendetwas ist seltsam. Dieser Mann nähert sich so geräuschvoll, dass man fast meinen könnte, es sei Absicht. Jetzt ruft er auch noch. »Gringa! He, Gringa!«
Es ist ein älterer Mann, er ist kräftig gebaut, hat eine olivfarbene Haut und eisengraues Haar. Seine verdreckte Kleidung verrät, dass auch er ein Goldgräber ist. Ich lasse ihn ein Stück herankommen und halte die Machete mit beiden Händen vor mich. Und ich bin entschlossen, sie zu benutzen, wenn es sein muss. »Was wollen Sie?«, schreie ich ihn an.
Er hebt beschwichtigend die Hände. »Gerade habe ich erfahren, was passiert ist. Mein Sohn ist ein Idiot. Manchmal denkt er nicht nach. Aber im Grunde hat er ein Herz aus Gold, und meine Neffen auch. Wir wollen helfen.«
»Wem helfen, mir etwa?« Eben war dieser Sohn mit dem goldenen Herzen ganz schön zudringlich!
»Es ist ein Wink Gottes, dass du uns gefunden hast, bevor der Dschungel dich getötet hat«, sagt er, und sein Gesicht ist ernst dabei, er lächelt mich nicht an. Aber gerade dieser Ernst ist es, der mich dazu bringt, die Machete zu senken. Ein falsches Lächeln – dazu da, mich einzulullen – hätte ihn nicht viel gekostet.
»Mein Name ist Luís«, erzählt er, als wir zum Lager zurückgehen. »Ich war gerade beim Hubschrauber, deshalb habe ich dich verpasst.«
»Ihr habt einen Hubschrauber?« Jetzt spitze ich die Ohren.
»Ja, anders kommt man hier nicht hin.«
»Könnt ihr mich aus dem Regenwald herausbringen?«, frage ich ihn ganz direkt.
Eigentlich hatte ich erwartet, dass er freundlich zustimmen würde, schließlich hat er eben noch gesagt, dass er mir helfen will. Doch der alte Goldsucher zögert. »Benzin ist teuer«, murmelt er. »Lass uns das besprechen, wenn wir im Lager sind. Komm jetzt erst mal mit, meine Jungs werden dich anständig behandeln.«
Antonio ist nicht wirklich begeistert, als ich und Luís aus dem Wald auftauchen. X-Man sieht mir nicht in die Augen. Ich schätze, die beiden haben eine deftige Strafpredigt abgekriegt.
Luís beordert Edo zum Teekochen, und mit einer Tasse in der Hand muss ich erst einmal ausführlich erzählen, was ich erlebt habe, nachdem ich im Dschungel »verloren gegangen« bin. Antonio taut wieder etwas auf, er amüsiert sich prächtig über meinen Kampf mit den Pekaris und nickt mit verzogenem Gesicht, als ich von meiner Begegnung mit dem elektrischen Fisch erzähle.
»Wenn ich so einen an der Angel habe, fasse ich ihn nicht an«, erzählt er. »Sonst muss ich tanzen, ob ich will oder nicht, haha!«
Ich frage Luís um Rat, was ich gegen die beiden Geschwüre tun soll, mit denen ich mich herumplage. »Es sieht so aus, als würde da irgendein Tier unter meiner Haut sitzen. Ganz schön gruselig.«
Mitfühlend klackt Luís mit der Zunge. Nachdem er sich das Geschwür angeschaut hat, meint er: »Die Larve der Dasselfliege. Sie lässt sich ein Loch offen zum Atmen, das kann man sehen.«
Zum Glück ekele ich mich nach all dem, was ich schon erlebt habe, nicht mehr so leicht. Trotzdem bekomme ich eine Gänsehaut. »Habt ihr etwas zum Einreiben, das sie tötet?«
»Nicht töten, dann verrottet sie in dir und vergiftet dich. Die muss man rauslocken, Gringa. Mit einem Trick.«
Antonio holt etwas, was auf den ersten Blick wie eine Speckschwarte aussieht und auf den zweiten Blick auch eine ist. Luís drückt das Ding auf eins meiner Geschwüre und hält es dort fest. »Jetzt kann sie nicht mehr atmen, die Larve«, sagt er heiter. »Sie muss rauskommen, sonst erstickt sie.«
Etwas regt sich unter meiner Haut. Zwei Minuten später hebt Antonio die Speckschwarte hoch, und ich sehe ein sich
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