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Schatten des Wahns: Stachelmanns dritter Fall (German Edition)

Schatten des Wahns: Stachelmanns dritter Fall (German Edition)

Titel: Schatten des Wahns: Stachelmanns dritter Fall (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christian V Ditfurth
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jetzt weiß.«
    »Noch eine Frage?«
    »Später.«
    Sie gingen langsam zum Dammtorbahnhof. Wenige Passanten begegneten ihnen. Einmal glaubte Stachelmann, ein Gesicht erkannt zu haben, aber es war ihm gleichgültig.
    Sie nahmen den Schnellbus bis zum Stephansplatz, stiegen dort um in die U 1 Richtung Norderstedt Mitte und verließen die Bahn an der Station Lattenkamp. Sie brauchten wenige Minuten, um bis zum Vogelbeerenweg 7 zu gehen. Sie legte vor der Haustür den Finger vor den Mund und tippte dann auf seine Lippen. »Nicht so laut im Treppenhaus, Herr Doktor, meine Nachbarn gehen früh zu Bett.«
    Er zog demonstrativ seine Schuhe aus und hielt sie in der Hand, sie kicherte.
    »Du bist albern.«
    Er zuckte die Achseln. »Das Sein bestimmt das Bewusstsein.«
    »Die dämlichste Ausrede seit Adam und Eva«, flüsterte sie und stieg vorsichtig die Holztreppe hoch, die trotzdem knarrte, als würde sie Herrenbesuch nicht billigen. Er folgte ihr und mühte sich, nicht laut zu lachen.
    Endlich in der Wohnung, streifte sie ihre Schuhe ab und hängte die Jacke an den Haken einer Garderobe. Sie nahm ihn an der Hand und führte ihn ins Wohnzimmer. Mit der anderen Hand knöpfte sie sich die Bluse auf.

Als er am Morgen aufwachte, fand er das Kopfkissen neben sich leer. Aber es war noch warm. Er streckte sich, staunte, dass der Schmerz sich nur schwach meldete, schloss einige Minuten die Augen und rief sich in Erinnerung, was in der Nacht geschehen war. Als er die Augen aufschlug, sah er ihr Gesicht dicht über seinem. Sie küsste ihn. »Wo wünschen der Herr das Frühstück?«
    »Mir egal«, schnaufte Stachelmann und griff nach ihr. »Als Vorspeise mag ich Menschenfleisch.«
    Sie tat so, als erschrecke sie, und wich seinem Griff aus. »Eklig, rohes Menschenfleisch. Außerdem bin ich zäh. Strafrechtlich betrachtet, ist das übrigens versuchter Mord.«
    »Mundraub«, sagte Stachelmann. »Mundraub in einem minderschweren Fall.«
    Sie prustete los. »Raus aus dem Bett. Irgendwo hängt hier ein Bademantel.« Sie suchte, fand ihn im Schrank und warf ihn ihm aufs Gesicht. Er ließ sein Gesicht bedeckt und war einen Augenblick restlos glücklich. Aber dann fiel ihm Ossi ein, der wohl als Letzter diesen Bademantel getragen hatte. Er schob ihn vom Gesicht, verkniff sich die Frage nach Ossi und zog den Bademantel an.
    Während sie frühstückten, erzählte sie Anekdoten aus dem Dienst, unbeschwert, stets bereit zu lachen, und der Trübsinn, der ihn angeflogen hatte, verschwand. Er schaute ihr zu, wie sie aß und erzählte, dabei gestikulierte, den Tee verschüttete, aufsprang, mit einem Lappen den Tisch sauber wischte, doch manchmal glaubte er zu sehen, wie Trauer über ihr Gesicht zog, für den Hauch einer Sekunde nur und ohne eine Spur zu hinterlassen. Aber vielleicht übertrug er nur auf sie, was er fühlte, zwischen Glück und Traurigkeit.
    »Guck nicht so griesgrämig«, sagte sie und setzte sich auf seinen Schoß. Das schmerzte, aber es war schön und eine Geste der Vertrautheit. Er trug sie ins Bett, und sie schliefen noch einmal miteinander.
    »Es ist gut«, sagte sie danach.
    »Ja.«
    »Lass uns einen Tag glücklich sein.«
    »Warum nur einen Tag?«
    »Manche Menschen schaffen nicht einmal das. Wenn man einen Tag glücklich ist, dann darf man an den zweiten denken. Vorher nicht. Wenn man zu viel nachdenkt, geht es sowieso in die Binsen.«
    Und solch eine Frau hatte Ossi einfach sitzen gelassen? Das glaube ich nicht. Ein Grund mehr, der für Mord sprach.
    Sie ging ins Bad, er lag auf dem Bett und ließ die Gedanken schweifen. Er suchte nach dem schlechten Gewissen, fand es aber nicht. Nur die Gewissheit, es würde sich melden, da durfte er sich keine Hoffnung machen. Nur nicht dran denken, dass da draußen sein Leben auf ihn wartete, jenes Elend, dem er für ein paar Stunden entkommen war und das doch wieder stärker sein würde wie ein unbezwingbarer Sog. Der würde ihn ergreifen, wenn er nur wenige Augenblicke zu denken wagte, wie es wäre, frei zu sein von den Zwängen und Qualen, die sein Leben beherrschten, weil er sein Leben niemals beherrschen würde. Wie eine schwarze Wolke schob sich die Düsternis näher, weil das Glück an diesem Morgen ihn nur stärker erinnerte an das Elend, das sein Alltag war. Sie hatte die Badezimmertür geöffnet, wohl um den Dampf entweichen zu lassen, und er hörte sie pfeifen wie ein junges Mädchen, das auf der Straße Figuren hüpfte. Da verzog sich die schwarze Wolke wieder und löste sich

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