Schatten des Wahns: Stachelmanns dritter Fall (German Edition)
freuen.
Angelika sehe ich nun wieder fast regelmäßig. Kürzlich hat sie gesagt: Aber kein Wort von dieser Sache, es macht mir Angst. Sie ahnt mehr, als sie weiß. Die Thingstättensache wird uns noch den letzten Nerv rauben. Sie muss keine Angst haben, ich werde nicht darüber sprechen. Aber die Bullen lassen nicht locker. Dieser Wolf klopft hier und dort an. Komisch, dass er mich nicht wieder heimgesucht hat. Wenn er kommt, bevor ich abhaue, dann werde ich den eiskalten Engel markieren, besser als Alain Delon.
Aber ich muss warten, bis R. mir das Signal gibt, dass ich nachkommen kann.
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15
Als er kurz vor Darmstadt durch eine Baustelle fuhr, blitzte es. Er fluchte und schaute auf den Tacho. Dreißig drüber, auch abzüglich des üblichen Rabatts würden ein paar Euro zusammenkommen. Seit er am Morgen losgefahren war, fühlte er sich gehetzt. Das lag an der Einsicht, dass es falsch war, wieder auf die Suche zu gehen. Er hatte keine Zeit dafür. Und warum sollte diese Angelika mehr wissen als die anderen, die er gefragt hatte? Er stellte sich vor, wie er sie fragte, sie nichts wusste oder wenig und wie er schon morgen wieder nach Hause fahren würde, was aber nur bedeutete, dass er vor Baustellen stand, an denen sich der Urlaubsverkehr staute. Er war ein Narr.
In Dossenheim verließ er die Autobahn, dann fuhr er zur Bundesstraße 3, folgte dieser ein paar Kilometer in Richtung Weinheim und bog in Großsachsen rechts ab in Richtung Oberflockenbach. Bald stieg die Straße in den Odenwald hoch, sie wurde schmaler und kurviger. Er erreichte einen Gipfel, und dann ging es hinunter nach Oberflockenbach, mit Bauernhof und Tankstelle, bis er auf der linken Seite den Gasthof »Zur Rose« entdeckte, wo der Koch arbeiten sollte, der in Frankreich gelernt hatte. Er hielt auf dem Parkplatz vor dem über der Straße gelegenen Lokal. Er stieg eine schmale Steintreppe hoch und öffnete die Eingangstür. Drinnen begrüßte ihn in schwerstem Dialekt eine Frau mittleren Alters. Ja, ein Zimmer hätten sie frei für ihn. Wie lange er bleiben wolle? Vielleicht eine Nacht, vielleicht länger, er wisse es nicht. Das war ihr auch recht, es wäre nur nett, er würde Bescheid sagen, wenn er wisse, wann er das Zimmer nicht mehr brauche. Sie führte ihn eine Treppe hoch und öffnete gleich die erste Tür auf der linken Seite. Das Zimmer war im ländlichen Stil eingerichtet, die beiden Fenster zeigten zur Straße hinaus. Als er an eines der Fenster trat, sagte die Frau, nachts führen kaum Autos.
Stachelmann duschte, dann stieg er die Treppe hinunter. Im Gastraum saßen nur drei Leute, es war noch zu früh fürs Abendessen. Er suchte die Frau, fand sie aber nicht. Er ging zu einem Tisch, an dem saß ein Paar, er feist mit Glatze, sie mager mit grauem Haar. Stachelmann entschuldigte sich für die Störung und fragte, ob sie hier wohnten. Die beiden schüttelten nur die Köpfe und schaute dann weg. Auf einem langen Tisch vor dem großen Fenster stand ein Messingschild mit der Aufschrift Stammtisch. Ein kleiner dürrer Mann saß mit dem Rücken zum Fenster vor einem Schoppen Weißwein und blätterte in der Bild-Zeitung. Als Stachelmann ihn fragte, ob er sich auskenne, nickte der Mann.
»Ich suche Angelika Stolpe, kennen Sie die?«
Der Mann fixierte ihn. Missbilligung lag in seinem Blick. »Ja«, sagte er. Er dehnte es.
»Dann kennen Sie bestimmt auch ihre Adresse.«
Wieder der starre Blick. Dann trank der Mann und sagte: »Die wohnt in der Cestarostraße, Nummer 17, glaube ich.«
»Und wo ist die, bitte?«
Der Mann wiegte den Kopf, als überlegte er, ob er Stachelmann etwas mitteilen sollte. Dann wies er mit dem Arm, ohne den Oberkörper zu drehen, zum Fenster hinter ihm. »Da runter, dann Richtung Unterflockenbach und Gorxheim.«
Stachelmann verließ die Gaststätte, setzte sich in seinen alten Golf und fuhr die Großsachsener Straße hinunter, bis er an eine Kreuzung kam, wo links eine schmale Straße steil bergauf führte, Sandweg hieß sie, daran vorbei, fast geradeaus sah er ein Schild nach Unterflockenbach. Er bog halb links ab und sah das Schild Cestarostraße. Für die paar Meter hätte er sich nicht ins Auto setzen müssen. Gleich hatte er die Nummer 17 gefunden, ein zweistöckiges Haus mit grauer Fassade und vier Mietparteien. Die Haustür war offen. Als er den Flur betrat, hörte er Kindergeschrei, zweistimmig. Die Klingelschilder der unteren beiden Wohnungen trugen andere Namen. Er stieg die Treppe hoch, sie war
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