Schatten des Wolfes - Schatten des Wolfes - Cry Wolf (Alpha & Omega 1)
sterben lassen.
Frustriert war er ihm ein paar Stunden gefolgt, als sich der junge Mann nichtsahnend immer weiter von der nächsten Straße und der Sicherheit entfernte. Der Schlafsack an seinem Rucksack machte deutlich, dass er vorhatte, im Freien zu übernachten - was eigentlich bedeuten sollte, dass er wusste, was er tat. Leider war immer deutlicher geworden, dass es sich nur um eine Zurschaustellung eines falschen Selbstbewusstseins handelte. Es war, als würde man zusehen, wie ein Banker aus der Stadt Überlebenstraining im Wald machte. Traurig. Einfach traurig.
So, wie all die Neulinge nach ’Nam kommen zu sehen, frisch rekrutiert und bereit, Männer zu werden, wenn doch alle wussten, dass sie nur Kanonenfutter sein würden.
Der verdammte Junge weckte alle Arten von Erinnerungen, die Walter sonst lieber unter Verschluss hielt. Aber der Zorn war stark genug, um in Walters Gewissen etwas zu verändern. Er war dem Jungen jetzt wohl sechs Meilen gefolgt, unfähig, sich zu entscheiden, und von seinen Gedanken so abgelenkt, dass er die Gefahr erst spürte, als der junge Mann wie angewurzelt mitten auf dem Wildpfad stehen blieb.
Das dichte Gebüsch zwischen ihnen gestattete ihm nur,
den Rucksack des jungen zu sehen, und was immer den jungen Mann aufgehalten hatte, war kleiner. Das Gute daran war, dass es sich eindeutig nicht um einen Elch handeln konnte. Mit einem Schwarzbären konnte man verhandeln - selbst mit einem Grizzly, wenn er keinen Hunger hatte (was nach seiner Erfahrung aber selten vorkam), aber ein Elch war...
Walter zog sein großes Messer, obwohl er nicht sicher war, ob er dem Jungen helfen würde. Selbst ein Schwarzbär wäre ein schnellerer Tod, als ihm das Unwetter bereiten würde - wenn auch ein blutigerer. Und er kannte die Bären in dieser Gegend, was mehr war, als er über den Jungen sagen konnte. Er bewegte sich langsam durch das Unterholz, lautlos, obwohl der Boden voll mit Espenlaub war. Wenn er kein Geräusch verursachen wollte, dann passierte das auch nicht.
Ein tiefes Grollen bewirkte, dass ihn ein Angstschauder durchlief und sein Adrenalin in die Ozonschicht aufsteigen ließ. Das war kein Geräusch, wie er es jemals hier gehört hatte, und er kannte jedes Raubtier, das in seinem Territorium lebte.
Vier Fuß weiter, und nichts mehr störte seinen Blick.
Mitten auf dem Weg stand ein Hund - oder jedenfalls etwas Hundeähnliches. Zuerst dachte Walter, es handelte sich um einen Deutschen Schäferhund, wegen der Farben, aber etwas stimmte nicht mit den Gelenken der Vorderbeine und Schultern und ließ das Tier eher wie einen Bären aussehen als wie einen Hund. Und es war größer als jeder verdammte Hund oder Wolf, den Walter je gesehen hatte. Es hatte kalte Augen - Mörderaugen - und unmöglich lange Zähne.
Walter wusste vielleicht nicht, wie er das Wesen bezeichnen
sollte, aber er wusste, was es war. Im Gesicht dieser Bestie lauerte jeder Albtraum, der je sein Leben heimgesucht hatte. Es war das Ding, gegen das er zwei Runden lang in ’Nam und seitdem in jeder Nacht gekämpft hatte: Tod. Das war ein Kampf für einen Krieger, so zerschlagen und besudelt er auch sein mochte, für einen Krieger wie ihn, nicht für einen Unschuldigen.
Er kam mit einem wilden Johlen aus dem Unterholz, ein Geräusch, das ihm die Aufmerksamkeit des Ungeheuers sichern sollte. Er rannte los und ignorierte dabei den Protest seiner Knie, die zu alt für einen Kampf waren. Sein letzter Kampf war lange her, aber er hatte das Gefühl des Blutes, das durch seine Adern raste, nie vergessen.
»Lauf, Junge«, rief er, als er mit einem wilden Grinsen an dem Studenten vorbeirannte, bereit, sich dem Feind zu stellen.
Das Tier würde vielleicht fliehen. Es hatte sich Zeit gelassen, den Jungen zu beäugen, und wenn die Mahlzeit eines Raubtiers angreift, läuft es manchmal davon. Aber irgendwie dachte Walter nicht, dass es sich um ein solches Tier handelte - in seinen blendend goldfarbenen Augen lag eine seltsame Intelligenz.
Was immer es davon abgehalten hatte, den Jungen sofort anzugreifen - es hatte keine Bedenken wegen Walter. Es warf sich auf ihn, als wäre er unbewaffnet. Vielleicht war das Geschöpf doch nicht so klug, wie er gedacht hatte - oder Walters Aussehen hatte es getäuscht, und es hatte nicht begriffen, was ein alter Veteran, bewaffnet mit einem Messer so lang wie ein Arm, ausrichten konnte. Vielleicht wurde es von der Flucht des Jungen erregt - der hatte Walters Rat sofort angenommen und rannte nun wie
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