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Schatten eines Gottes (German Edition)

Schatten eines Gottes (German Edition)

Titel: Schatten eines Gottes (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jutta Ahrens
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nach Atem ringend darauf warten, dass sich die Menge verlief.
    Auch Emanuel, Octavien und Sinan benötigten über eine Stunde, um in eine ruhigere Straße zu gelangen. Kaum konnten sie wieder Atem schöpfen, wandte sich Octavien an Sinan: »Habt Ihr die Männer getötet?«
    Sinan verzog keine Miene. »Ja. Ich beherrsche die Kunst, rasch und lautlos zu töten, aber verbreitet es nicht in ganz Lucca, dann wäre meine Mühe umsonst gewesen.«
    Octavian übersah sein selbstgefälliges Grinsen. »Weshalb? Seid Ihr wahnsinnig?«
    »Durchaus nicht. Im Gegenteil. Ich arbeite immer sehr effektiv und zielgerichtet. Ich habe euch den Weg zu eurem Heiland freigemacht. Nein, Dank erwarte ich nicht.«
    »Emanuel! Sagst du nichts dazu?«
    »Es wäre zwecklos. Sinan ist ein Mörder. Wusstest du das nicht?«
    »Regt Euch nicht auf, Octavien. Ihr seid doch ein adeliger Junker. Was können Euch ein paar Bauern bedeuten, die einem Hirngespinst nachlaufen. Im Grunde sollte man alle lächerlichen Gestalten auf diesem Platz einen Kopf kürzer machen.«
    Octavien wollte laut protestieren, aber die Erwiderung blieb ihm im Halse stecken. Hatte er den Lumpenhaufen damals in Köln nicht selbst zur Hölle gewünscht? Hatte er nicht auf sie herabgesehen, als seien es Ratten, die um seine tempelherrlichen Füße wieselten? Es gab so viele von ihnen, es schadete nicht, wenn ein paar von ihnen umkamen. Niemand merkte es, niemanden interessierte es, jedenfalls niemanden von Rang. Ja, man hatte ihn dazu erzogen, sich über solche Menschen erhaben zu fühlen. Was war heute anders?
    »Aber wenn sie Eurem Mithras nachliefen, dann wären es vernünftige Leute?«, erwiderte Octavien lahm.
    Sinan setzte eine gekränkte Miene auf. »Mein Herr de Saint-Amand! Die gläubigen Anhänger des Mithras haben sich niemals derartig aufgeführt und werden es auch niemals tun.«
    Octavien wandte sich ärgerlich von ihm ab. Er hatte Sinan völlig falsch eingeschätzt. Unterwegs war er ein lustiger Kumpan gewesen, hatte niemals seine gute Laune verloren, es mochte stürmen oder schneien. Wenn es regnete, holte er seine Laute hervor und erfand rasch ein Regenlied. Nun musste Octavien erkennen, dass Sinan auch andere Melodien beherrschte, eben jene, die er früher selbst beklatscht hatte.
    »Geht ihr nach San Cristoforo, ich besorge uns inzwischen eine Unterkunft«, schlug Sinan vor, als sei nichts gewesen. »Ich komme nach.«
    Das fand die Zustimmung der beiden anderen. Sie fragten sich nach San Cristoforo durch und fanden das besagte Hospiz. »Ein nettes Brüderchen hast du«, sagte Octavien, als sie vor der Pforte standen.
    »Ich habe mir Sinan als Bruder nicht ausgesucht«, entgegnete Emanuel ärgerlich und betätigte den Türklopfer. Ein mürrisches Gesicht schaute sie aus einer Klappe in der Tür an. »Verschwindet!«
    »Na, ist das ein Benehmen, wenn ein fußkranker und hungriger Bruder aus dem Kloster Altenberg bei Köln um Obdach bittet?«
    »Ihr seid kein Bruder. Wo ist denn Euer Habit und Eure Tonsur? Ihr wollt zu Bruder Bernardo, habe ich recht? Ihr denkt, er sei Jesus Christus höchstpersönlich und wollt dem armen Mann nicht nur den letzten Fetzen Kutte vom Leib reißen, sondern ihm auch noch seine Nachtruhe rauben. Aber hier kommt niemand herein. Fort mit Euch!«
    Die Klappe fiel mit einem Knall wieder zu. Emanuel und Octavien sahen sich an. »Wir sollten es morgen noch einmal versuchen«, sagte Octavien. »Vielleicht hat Sinan bereits eine Herberge gefunden. Ein sauberes, weiches Bett wäre jetzt …«
    Da öffnete sich die Tür einen Spalt. Eine Hand schob sich hindurch, packte Emanuel am Ärmel. »Pst, leise. Kommt herein, aber schnell.«
    Emanuel und Octavien schlüpften hindurch. Bruder Bernardo stand vor ihnen, in der Hand eine ausgehöhlte Rübe, in der eine Kerze vor sich hin funzelte. »Es tut mir leid, der Bruder Pförtner wusste nicht, dass ihr Freunde seid. Er hat es nur gut gemeint. Die Brüder hier wollen mich schützen. Nach jeder Predigt entkomme ich den guten Menschen nur mit Mühe. Manchmal glaube ich, sie möchten mich verspeisen, so sehr bedrängen sie mich.«
    Er lachte. »Oft überlege ich, ob unser Herr Jesus Christus auch so belagert worden ist, und dann schäme ich mich, denn ich bin einer der Geringsten und nicht wert, soviel mehr Aufmerksamkeit als der Herr zu erhalten. Sie glauben, ich sei der Auferstandene.«
    Bernardo bekreuzigte sich. »Ich sage ihnen immer wieder, ich bin es nicht. Ich hoffe, der Herr wird ihnen ihre

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