Schatten eines Gottes (German Edition)
gewesen, Heiliger Vater? Die bösen Kräfte schlafen nicht.«
»Wir sind gespannt, was Euch bewogen hat, Uns aufzusuchen, Nathaniel. Sprecht frei heraus. Ihr habt ja einen scharfen Verstand. Die Kirche braucht solche Männer wie Euch.«
Nathaniel senkte kurz den Blick, als mache ihn das Lob verlegen, doch aus seiner Antwort sprach Selbstbewusstsein. »Verstand besitzen viele. Ich meine, die richtige Gesinnung vor allem ist es, die ihn tragen und beflügeln sollte.«
Jetzt hefteten sich die Blicke aus den schwarzen, eng stehenden Augen, die alles durchdringen, alles erfassen wollten, mit solcher Schärfe auf ihn, dass Nathaniel sich des Eindrucks nicht erwehren konnte, der Papst könne hinter seine glatte, demütig geneigte Stirn schauen.
»Es steht doch außer Frage, dass Ihr treu zur Lehre der Mutter Kirche steht?«
»Das tue ich, Heiliger Vater. Aber auch die Ketzer nennen sich Christen, obwohl sie in Wahrheit die Abtrennung von der Mutter Kirche im Sinn haben.«
Der Papst hob leicht die Brauen. »So ist es in der Tat. Waldenser, Albigenser und das ganze Natterngezücht. Sie sind jedem aufrechten Christen ein Gräuel. Sehr bedauerlich. Wollt Ihr etwas Genaueres andeuten?«
»Vielleicht sind Euch nicht alle Gefahren bekannt, die Euch bedrohen. Viele legen das Gelübde vollständiger Armut ab, wandern im Land herum und predigen, ohne befugt zu sein und ohne die Heilige Schrift zu verstehen.«
Innozenz nickte ungeduldig. »Harmlose Narren. Um diese Kräfte zu bündeln, haben Wir dem Bettelorden der Franziskaner Unsere Erlaubnis erteilt. Die Brüder sind keine Ketzer.«
»Vergebt mir, aber der Teufel tarnt sich gern als Engel. Auch die Katharer predigen Besitzlosigkeit, Strick und härenes Gewand, eben alles, was auf das einfache Volk Eindruck macht. Aber wie kann einer, der sein Bett in der Gosse aufschlägt, der Kirche dienen?«
»Es kann geschehen, wenn Wir sorgfältig die Spreu vom Weizen trennen. Die Franziskaner und die Dominikaner bedienen die Sehnsucht der Menschen nach dem einfachen urchristlichen Leben, was, wie Ihr wisst, Uns nicht möglich ist, denn Wir repräsentieren die Herrlichkeit Gottes.« Seine Blicke wurden milder, blinzelten etwas. Vielleicht war er schon etwas kurzsichtig.
Kein Muskel in Nathaniels Gesicht verriet, was er von dieser Aussage hielt. »Kindliche Einfalt mag hilfreich sein. Aber der Heilige Vater muss das Kindhafte abwerfen, und wie ein Mann handeln in dieser sündigen Welt. Er muss Millionen von Christen ein Hirte sein.«
»Wir danken Euch, Abt Nathaniel. Ihr setzt viel Hoffnung in einen alten Mann, der müde geworden ist.«
Du Fuchs bist kein bisschen müde, nur ziemlich ratlos, was du mit dem vermaledeiten Pergament anfangen sollst, das dich beinahe in ein fürchterliches Dilemma gestürzt hätte
, dachte Nathaniel.
»Ihr seid von tüchtigen und vertrauenswürdigen Männern umgeben. Ich bin sicher, mit Gottes Hilfe werdet Ihr aus jeder Schwierigkeit einen Ausweg finden. Eure Schultern sind stark. Gott weiß das.«
Da beugte der Papst sich vor. »Wollt Ihr auf etwas Bestimmtes hinaus?«
»Es war die Rede von einem Pergament.«
Innozenz’ Kopf stieß vor wie eine Kobra. »Was wisst Ihr über das Pergament?«
Innozenz zeigte Gereiztheit. Das war Nathaniel recht. »Dass ein gewisser Bruder Bernardo – eben einer jener Franziskaner, die ich erwähnte – dass er dem Volke verkündete, die Zehn Gebote des Mose seien falsch, und Christus habe bei seinem letzten Abendmahl neue verkündigt.«
Innozenz nickte. »Das wissen alle, schließlich waren die Plätze voll, wenn er predigte.«
»Ich hörte aber auch, dass es dem Bruder gelungen sei, aus der Kerkerhaft zu entfliehen, und das Pergament – ich meine, das aramäische Original – sei seither verschwunden.«
Innozenz musterte Nathaniel mit wachen Blicken. »Ihr seid sehr gut unterrichtet. Verratet mir doch, wer Euch so erleuchtet hat.«
Nathaniel lächelte dünn. »Leider ist es nicht Gottvater, der mir die Geheimnisse zuträgt, wenngleich ich mich gern dieser Nähe rühmen würde. Um Schaden von der Mutter Kirche abzuwenden, beschäftige ich einige – sagen wir Beobachter.«
»Dann sagt frei heraus, was Ihr herausgefunden habt.«
Nathaniel faltete gemessen seine Hände im Schoß. »Der Mordversuch und das Pergament hängen zusammen. Man wollte Euch schwächen, und als das nicht gelang, versuchte man, Euch zu ermorden.«
»Gewiss, darauf sind Wir selber schon gekommen«, erwiderte Innozenz
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