Schatten eines Gottes (German Edition)
gegen sein frevelhaftes Tun ist man offensichtlich nicht vorgegangen?«
»Nein!« Innozenz starrte finster vor sich hin. »Es ist nicht immer möglich, so zu handeln, wie es geboten erscheint. – Hengebach, sagt Ihr, hat etwas mit dem Pergament zu tun?«
»Er beauftragte einen Zisterziensermönch, nach einer Reliquie zu suchen. Was er fand, war das Pergament. Ein Glücksfall, wie er nur einmal in tausend Jahren vorkommt, oder eben ein Schwindel.«
Der Papst beugte sich vor. »Und das sagt Ihr mir erst jetzt?«
»Ein Beichtgeheimnis, Heiliger Vater.«
Innozenz wischte durch die Luft. »Wir sind hier unter uns. Sprecht!«
Nathaniel tat, als ringe er kurz mit sich. »Hengebach hat das Pergament gefälscht, um Euch mit der Schrift zu erpressen. Den ahnungslosen Mönch hat er mit Hilfe von Mittelsmännern an den Fundort geführt, wo dieser es in einem alten Grab gefunden hat. Der Mönch selbst hat es mir vor Kurzem gebeichtet. Wenige Tage darauf verstarb er an einer unbekannten Krankheit.«
Erleichtert lehnte sich der Papst zurück. Dennoch fragte er: »Dann haben wir also keine Beweise gegen Hengebach?«
»Die ließen sich in Köln sicherlich finden.«
»Vielleicht, aber was glaubt Ihr, weshalb Hengebach Rom ignoriert? Er wird von dem dortigen Adel unterstützt. Köln ist reich und bedeutend, Wir können uns dort keinen Aufstand leisten.«
»Ihr könntet ihn absetzen lassen und einen anderen zum Bischof weihen.«
»Glaubt Ihr, das hätten Wir nicht schon alles erwogen? Aber dieser Hengebach ist ein gerissener Hund. Er würde bestimmt einen Gang nach Canossa zelebrieren, und wenn er bereut, müssen Wir ihm vergeben und ihn wieder in seine alten Rechte einsetzen.«
»Und wenn man ihm einen Mann vor die Nase setzt, der ein höheres Amt als er bekleidet? Der ihn in die Schranken weisen kann?«
»Einen höheren Mann als einen Erzbischof? Ich sehe, Abt Nathaniel, Ihr führt etwas im Schilde. Wolltet Ihr Uns also einen Rat geben?«
»Ernennt einen Mann aus seinem Erzbistum zum Kardinal.«
Innozenz schwieg. Seine Augen verdunkelten sich, als zögen sie sich in einen stillen Raum zurück. Nach einer geraumen Weile, während der ihn Nathaniel aus den Augenwinkeln beobachtete, bemerkte er: »Das Kloster St. Marien – es gehört nicht zufällig zum Erzbistum Köln?«
»Unser bescheidenes Kloster – ja, so ist es, Heiliger Vater.«
»Es ist klein und ein wenig – unbedeutend?«
»So ist es, Heiliger Vater.«
»Und ein so gelehrter Kopf wie Ihr es seid, ist dort Abt. Darüber haben wir Uns schon immer gewundert.«
»Unsere Bibliothek ist gut ausgestattet. Außerdem brauche ich hin und wieder die Abgeschiedenheit, wenn ich dem Treiben der Welt entfliehen will.«
Die Miene des Papstes hellte sich langsam auf. »Abt Nathaniel, Ihr seid den Bedrängten ein süßer Quell der Hoffnung. Ich beauftragte Euch, das lügnerische Pergament herbeizuschaffen, damit Wir es dem Feuer übergeben können. Und jetzt – habt Ihr vielleicht Lust auf eine Partie Schach?«
Sinan in Akkon
Zwischen Geröll und mannshohen Felsen zog sich endlos ein staubiger Pfad. Die beiden Reiter waren seit Tagesanbruch unterwegs, und bisher war ihnen kein Mensch begegnet, was keinen von ihnen verwunderte. Sinan verfluchte die Hitze, die baumlose Landschaft und die vielen Steine. Er verfluchte Omar, seinen Führer, der während des Ritts alle tausend Schritte jammernd seinen Preis verdoppelte und ihm prophezeite, er werde die graue Burg niemals betreten oder sie niemals wieder verlassen. »An Orten wie diesen wohnt der Sheitan«, lamentierte er. »Besser umkehren.«
Sinan, aus Schutz vor dem feinen Sand in einen schwarzen Burnus gehüllt, überlegte, ob er den Geiern nicht endlich einen Gefallen tun sollte, und je weiter sie vorankamen, desto überzeugter war er von dieser Idee. Gegen Abend tauchten die grauen eckigen Türme von Masyaf am Horizont auf. Die Festung erhob sich auf steinigem Hügel inmitten einer kargen Felsenlandschaft. Uneinnehmbar, unbezwungen, abweisend gegenüber dem Fremden. Aber Sinan war kein Fremder. Er besaß das Schreiben seines Meisters, das ihn dem Nizari-Oberhaupt empfahl.
Gleich nach seiner Ankunft in der Hafenstadt Tripoli hatte er sich nach einem Führer umgesehen, doch niemand wollte ihn nach Masyaf begleiten. Denn dort herrschte Omar al-Mamun über die Nizaris, Anhänger des wahren Islam und bereit, diesen jederzeit mit ihrem Leben zu verteidigen. Seine Fidawis, die auch als Assassinen bekannt waren,
Weitere Kostenlose Bücher