Schatten Gottes auf Erden (German Edition)
von Sand verschüttet wäre, und sprach uns allen guten Mut zu.
»Die Jahreszeit ist günstig«, sagte er. »Die Stürme haben noch nicht eingesetzt, und die Hitze hat nachgelassen. Dazu steht der Mond in seinem zweiten Viertel; noch ehe er sich in den Falten des Himmelsmantels versteckt, können wir die Wüste überquert haben.«
Mein Vater erwiderte nichts, doch war ihm anzusehen, dass er die Zuversicht des Alten nicht ganz teilte. Als Abu Gahiz das merkte, fuhr er fort: »Herr, es ist schon das fünfzigste Mal, dass ich den Weg durch den Sand nehme – und immer noch lebe ich!«
So sagte sein Mund, aber er verriet nicht, was die Züge seines Gesichtes doch preisgaben: Sie erzählten von Mühsalen und Entbehrungen, von Sandstürmen und Durstqualen, von Luftspiegelungen, die trügerische Hoffnungen erweckten, von Kämpfen mit räuberischen Menschen und wilden Tieren. Welchem Säbelhieb oder welchem Sturz vom Pferde hatte er denn jene Narbe zu verdanken, die sich über seinem rechten Auge bis zur Schläfe hinzog?
Ich fragte ihn nicht danach. Die Fantasie eines Knaben, der in Samarkand aufwuchs, ist erfüllt von den abenteuerlichsten Wüstengeschichten. Ich war sechzehn Jahre alt wollte ich denn durch diese so wilde, menschenfeindliche, von Dämonen erfüllte Welt einen Spazierritt machen, als ergingen wir uns an den lieblichen Ufern des Kohik? O nein, ich fieberte den Gefahren entgegen, die auf uns lauerten, denn – zugrunde gehen würde ich nicht! Ich hatte dem Tod in die Augen gesehen und war ihm entronnen; ich fühlte mich gegen ihn gefeit.
Diese Gedanken ließ ich freilich nicht laut werden, um niemanden damit zu erschrecken, nur nahm ich leichten Herzens Abschied von diesen Rebenhügeln, Melonenfeldern, Granatapfelbäumen und den noch immer so üppig blühenden Rosenbüschen, und ich begrüßte freudig das Steppengras und den ersten Sachsaulstrauch, der mir seine dürren, wie nackt aussehenden Zweige wie eine Freundeshand entgegenzurecken schien.
Es geschah aber nichts von alledem, was meine Fantasie mir vorgegaukelt hatte. Die Nächte waren schon recht kühl. Besser, man wärmte sich in ihnen durch Bewegung, als sie fröstelnd in unruhigem Schlaf zu verbringen. Mond und Sterne wiesen ja den Weg, und wir ritten schweigend dahin. Hier verbot sich das Sprechen von selbst: Wer den Mund öffnete, spürte bald Sand auf der Zunge, und auch die Kehle trocknete schneller aus. Das Wasser aber teilte Abu Gahiz uns in gezählten Schlucken zu.
Über Mittag schliefen wir. Die Tiere wurden von ihren Lasten befreit, legten sich in den Sand und wir neben sie in den Schatten ihrer Leiber. Die Wasserstellen waren in Ordnung. Einmal trafen wir an einer eine uns entgegenkommende Karawane, die den Brunnen fast geleert hatte, und das restliche Wasser war schlammig und schmeckte so abscheulich, dass wir nur das Kamel damit tränken konnten. Aber die nächste Trinkstelle war keine Tagereise entfernt, so lernte ich damals die Qualen des Durstes, von denen so Furchtbares erzählt wird, nur von ferne, in ihren allerersten Anfängen kennen, und lediglich meine Augen hatten zu leiden – sie wurden wund vom Flimmersand der Wüste.
Einmal sahen wir nachts, im Mondlicht, den Schattenriss eines Reiters auf einem nicht allzu weit von uns entfernten Barkan auftauchen, einem dieser wie riesige Gipfel geformten Sandberge, die der Wind immer wieder zusammenweht und auch immer wieder auseinander trägt, um sie an anderer Stelle neu entstehen zu lassen. Wellentäler und Wellenberge bilden sich auf diese Weise, nur nicht so bewegt wie im Meer, sondern in der unerbittlichen Gelassenheit, die der Wüste eigen ist.
Als wir die Gestalt plötzlich vor uns sahen, griffen wir unwillkürlich nach unseren Säbeln. Aber lautlos, wie sie erschienen war, verschwand sie wieder. Da beschleunigten wir unsern Ritt. Hätte es nicht ein Kundschafter sein können, der uns mit einer Schar Bewaffneter vielleicht nachsetzte? Doch der Reiter blieb verschwunden, als hätte die Hölle ihn verschluckt. Wahrscheinlich hatte er nicht weniger Furcht vor uns als wir vor ihm.
Ja, die Wüstendämonen fahren in die Menschen, machen sie scheu und furchtsam, räuberisch und mitleidlos. Die sich im Fruchtland grüßen mit: »Der Friede sei mit dir!«, fallen in diesen Einöden übereinander her wie wilde Tiere. Heimlich gestand ich es mir ein, dass ich froh war, als wir heil und unangefochten die ersten Spuren menschlicher Gesittung wieder vor uns hatten.
Zwar waren es nur
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