Schatten ueber Broughton House
bin. Ich habe oft versucht, ein weiteres Mal zu schreiben ... zu erklären, was geschehen war und wie viel Kummer es mir bereitet hatte, Dennis zu verlieren. Ich war aber ... ich muss gestehen, dass ich es kaum ertragen konnte, an Dennis’Tod zu denken.“
„Das ist kaum verwunderlich“, erwiderte Megan spitz.
Theo runzelte die Stirn. „Hat Andrew Ihnen denn nicht geschrieben? Ich bin ihm kurz nach meiner Rückkehr in London begegnet, und er hat mir gesagt, dass er Ihrem Vater ebenfalls einen Brief geschickt habe. Ich gebe zu, ein Feigling gewesen zu sein, denn es erleichterte mich sehr, als ich hörte, dass Barchester die Geschehnisse bereits ausführlich geschildert hatte. Das war auch der Grund, weshalb ich es nicht mehr für nötig befand, einen der vielen Briefe, die ich zu schreiben versuchte, abzuschicken.“
„Ja, er hat den Hergang der Ereignisse erklärt. Er hat mir auch alles noch einmal persönlich erzählt.“
Theo schaute sie fragend an, und langsam schien ihm etwas zu dämmern. „Wollen Sie andeuten, dass Barchester Ihnen erzählt hat, ich hätte Dennis umgebracht?“
„Genau das will ich.“
„Er hat Ihnen gesagt, dass ich Dennis umgebracht hätte!“ Sein anfängliches Entsetzen wich wütender Entrüstung. „Dieser verfluchte Mistkerl! Warum erzählt er so etwas? Verdammt noch mal, er war doch nicht einmal dabei! “
„Wie bitte? Wollen Sie mir etwa weismachen, dass Andrew Barchester auf jener Expedition gar nicht dabei gewesen ist?“ „Nein, natürlich nicht. Er war mit uns unterwegs, aber er war nicht da, als Dennis starb. Er kann sich das alles nur ausgedacht haben.“
Eine schwache Hoffnung begann sich in Megans Brust zu regen. Hatte Barchester sie vielleicht die ganze Zeit angelogen? Konnte es sein, dass Theo die Wahrheit sagte? Entschieden kämpfte sie gegen die mit dieser Vorstellung einhergehenden Gefühle an. Nein, sie würde sich von Theo nicht täuschen lassen, selbst wenn sie sich noch so sehr wünschte, dass er unschuldig sein möge! Es war unerlässlich, dass sie sachlich blieb.
Sie verschränkte die Arme vor der Brust und meinte: „Warum erzählen Sie mir dann nicht einfach, was geschehen ist?“
Er ließ seinen Blick eine Weile auf ihr ruhen, bevor er antwortete. „Einverstanden. Wie Sie sicher wissen, habe ich in Brasilien an einer Expedition von Lord Cavendish teilgenommen -dem Gentleman, der auch das Museum ins Leben gerufen hat. Julian Coffey und Mr. Barchester waren ebenfalls mit von der Partie. Unser Expeditionsleiter fiel gleich zu Beginn aus, doch glücklicherweise trafen wir Ihren Bruder und seinen Begleiter, einen gewissen Captain Eberhart, der sehr erfahren schien. Wir taten uns mit ihnen zusammen und begannen die Reise den Amazonas hinauf.“
„Mr. Barchester hat mir bereits erzählt, wie Captain Eberhart gestorben ist und sie sich dann allein durchgeschlagen haben.“ „Ja, wir waren schon so weit gekommen und wollten die Expedition nicht einfach abbrechen. Wie jung und voller Enthusiasmus wir damals waren ... “ Ein wehmütiges Lächeln umspielte seine Lippen. „Uns gefiel das Abenteuer, Dennis ganz besonders. Er war zu allem bereit. Im Laufe der Expedition freundete ich mich gut mit ihm an.“
„Das scheint mir doch recht unwahrscheinlich“, wandte Megan ein. „Ein einfacher Amerikaner und ein englischer Adeliger ..."
Theo musterte sie kühl. „Nicht unwahrscheinlicher als bei uns beiden.“
Sie wandte errötend den Blick ab. „Wir reden aber nicht von ... körperlicher Anziehung.“
„Nein, wir reden von Freundschaft“, erwiderte er nüchtern. „Und Dennis und ich wurden sehr gute Freunde. Ich suche mir meine Freunde nicht aufgrund ihrer Geburt oder ihres Vermögens aus - ebenso wenig wie Dennis. Er war ein ganz vortrefflicher Bursche, voller lustiger Geschichten, immer guter Laune und stets zum Lachen aufgelegt.“
Tränen traten Megan in die Augen, als sie hörte, was so völlig mit ihrer Erinnerung an ihren Bruder übereinstimmte. „Ja ... das war er.“
„Es tut mir leid, Megan.“ Theo machte einen Schritt auf sie zu und schien ihren Arm berühren zu wollen, hielt dann aber mitten in der Bewegung inne und ließ seine Hand wieder sinken. „Ich kann mir vorstellen, wie viel er Ihnen bedeutet hat. Er hat mir von Ihnen erzählt und meinte, ich würde Sie mögen.“ Theo zögerte kurz und fügte dann mit sanfter Stimme hinzu: „Und er hatte recht.“
Megan schluckte, um nicht von ihren Gefühlen überwältigt zu werden.
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