Schatten ueber Broughton House
einen hohen Kopfschmuck aus Federn. Seine Augen glühten grün in der Dunkelheit. Selbst sein Körper schimmerte golden. Er war kaum noch eine menschliche Gestalt, groß, unförmig und überall von goldenen Schuppen bedeckt.“
Theo schüttelte abermals den Kopf. „Ich weiß ehrlich gesagt nicht, wie viel davon meiner fiebrigen Fantasie entsprungen ist. Doch ich habe nie daran gezweifelt, dass ich ihn mit Dennis kämpfen sah. Mit einem Messer stach er immer wieder auf Dennis ein. Ich wollte laut schreien, brachte aber wahrscheinlich kaum mehr als ein heiseres Flüstern zustande. Mit wackeligen Beinen stand ich auf. Dennis lag leblos am Boden, und ich stürzte mich auf den Angreifer, der sich anfühlte, als würde er in einer goldenen Rüstung stecken. Er wehrte mich ab und schlug mir mit seinem Arm ins Gesicht. Ich taumelte zurück und fiel.
Dann“, fuhr er fort, „kann ich mich erst wieder daran erinnern, dass Julian sich über mich beugte und mir sagte, ich solle aufwachen. Ich setzte mich auf und sah zu Dennis hinüber. Er lag tot am Boden, auf seiner Brust und um ihn herum war überall Blut. Julian half mir auf und erzählte mir, dass einer der Priester Dennis umgebracht hätte. Die Dorfbewohner seien schon auf dem Weg zu den Höhlen, und wir sollten zusehen, dass wir von hier fortkämen. Ich wollte Dennis’ Leichnam mitnehmen, weil mir der Gedanke unerträglich war, ihn dort zurückzulassen, doch Coffey schob mich in den Tunnel. Er meinte, wir dürften keine Zeit verlieren. Wir stolperten durch die Höhlengänge, bis wir zu unseren Packeseln auf der anderen Seite des Berges gelangten. Julian hievte mich auf eines der Tiere, und wir flüchteten zurück ins Tal zu unserem Lager.“
Theo ließ Megans Hand los und stand unvermittelt auf. „Ich habe Dennis nicht geholfen und ihn sogar in der Höhle zurückgelassen. Sie haben jeden erdenklichen Grund, mich zu verabscheuen. Ich hätte mich von Julian nicht drängen lassen, sondern dort bleiben sollen. Wir hätten Dennis mit uns nehmen und ihn nicht seinen Feinden ausliefern dürfen.“
Megan saß einen Augenblick schweigend da, bevor sie sagte: „Das ist die wunderlichste Geschichte, die ich jemals gehört habe.“
Theo seufzte. „Ich kann verstehen, dass es Ihnen schwerfällt, meine Erzählung zu glauben, doch es ist die Wahrheit. Niemals würde ich Dennis etwas zuleide getan haben. In der kurzen Zeit, da wir einander kannten, waren wir wie Brüder geworden.“ Wütend biss er die Zähne zusammen. „Wenn ich geahnt hätte, was Ihre Familie all die Jahre dachte, so würde ich Ihren Vater längst aufgesucht haben, um ihm die ganze Geschichte selbst zu erzählen.“ Er fügte leise hinzu: „Ich bin kein Mörder, Megan. Und ganz gewiss habe ich nicht Ihren Bruder umgebracht.“
Megan seufzte und sah ihn lange an. Es gab zweifelsohne viele gute Gründe, weshalb sie Theos Geschichte keinen Glauben schenken sollte. Sie wusste zudem, dass ihr Vater ihn einfach als einen gewieften Lügner abtun würde.
Aber tief in ihrem Innern war Megan davon überzeugt, dass Theo ihr die Wahrheit sagte.
Ganz gleich, wie seltsam und unglaublich seine Geschichte auch klingen mochte, er hatte nicht gelogen. Das konnte sie ihm am Gesicht ablesen, sah es in seinen Augen.
Theo war kein Mörder. Das hatte sie eigentlich schon bei ihrer ersten Begegnung gespürt. Und wahrscheinlich war es ihr auch deshalb so schwergefallen, sich immer wieder ins Bewusstsein zu rufen, dass er eigentlich ein Schurke war, den sie zu entlarven hatte.
„Ich glaube Ihnen“, sagte sie nun.
Theo hob überrascht die Brauen. „Sie glauben mir? Einfach so?“
„Ja.“
„Warum?“
„Zunächst einmal, weil Sie ein so schlechter Lügner sind. Und zum anderen, weil niemand sich eine solche Geschichte ausdenken würde, wenn er etwas vertuschen wollte. Dazu hätten Sie etwas erfunden, das glaubhafter wäre.“
Ein Lächeln zuckte um seine Mundwinkel. „Da mögen Sie recht haben.“
„Aber warum hat Mr. Barchester gelogen und uns erzählt, dass Sie Dennis umgebracht hätten?“
„Das weiß ich nicht.“ Theo sah genauso verwirrt drein, wie Megan sich fühlte. „Er war ja nicht einmal dabei, als es geschah, und kennt nur die Geschichte, die ich ihm erzählt habe - dass Dennis in einer der Höhlen abgestürzt sei.“
„Uns gegenüber hat er gemeint, dass er Ihre Geschichte nicht glaubte, Sie immer wieder deswegen befragt hätte und zu der Ansicht gelangt sei, Sie würden lügen. Nachdem Sie auch
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