Schatten ueber Broughton House
aller Mädchen zu Füßen - sie einmal in einem unbeobachteten Moment geküsst hatte, hatte sie kaum mehr verspürt als ein angenehmes Kribbeln. So war sie davon ausgegangen, gegen derlei Verführer gefeit zu sein, und hatte insgeheim jene Frauen verachtet, die so schwach waren, solchen Männern nachzugeben.
Und nun hatte der ihr so abgrundtief verhasste Mann sie selbst so weit gebracht, bebend und hilflos in seine Arme zu sinken!
Megan war sich bewusst, dass sie die Kontrolle über sich verloren hatte - nicht sie war es gewesen, die dem leidenschaftlichen Küssen Einhalt geboten hatte. Theo hatte aufgehört!
Sie drehte sich seufzend auf den Rücken und starrte zu dem Betthimmel hoch über ihr hinauf. Und als ob es nicht schon schlimm genug sei, Theo Moreland geküsst zu haben, hatte er sie dabei auch von ihrem nächtlichen Vorhaben abgebracht. Sie war nicht im Sammelkabinett des Dukes gewesen.
Auf einmal fiel ihr ein, dass sie ja den Schlüssel an sich genommen hatte! Mit einem kleinen Schrei fuhr sie hoch. Ihre Gedanken rasten. Natürlich könnte sie damit zu einem späteren Zeitpunkt in den Raum gelangen, doch barg es auch ein großes Risiko, den Schlüssel einfach zu behalten. Sicher würde der Duke schon bald wieder sein Kabinett aufsuchen wollen, und wenn er den Schlüssel nicht in seinem Schreibtisch fand ...
Megan glaubte zwar nicht, dass Theo seinem Vater davon erzählen würde, die neue Hauslehrerin mitten in der Nacht im Studierzimmer überrascht zu haben - er wusste wahrscheinlich gar nicht, was sie dort gewollt hatte, denn hätte er sie den Schlüssel an sich nehmen sehen, hätte er ihn sicher zurückverlangt -, und gewiss wollte er auch nicht, dass seine Mutter auf den Gedanken kam, ihr Sohn könne den Bediensteten nachstellen. Doch wenn nun sein Vater erwähnte, dass der Schlüssel für das Kabinett aus seinem Schreibtisch verschwunden sei, konnte Theo unschwer erraten, was Megan im Studierzimmer des Dukes gesucht hatte. Und ehe sie sich recht versah, würde man sie hinausgeworfen haben, noch bevor sie Dennis’ Mörder überführen konnte.
Megan wusste, dass ihre einzige Rettung darin bestand, den Schlüssel zurück in den Schreibtisch zu legen, bevor der Duke etwas bemerkte. Das tat sie besser gleich und nicht erst nachdem sich eine Gelegenheit fand, das Kabinett zu durchsuchen.
Sie tastete in ihrer Rocktasche nach dem Schlüssel.
Da war nichts!
Megan mochte es kaum glauben. Sie stand hastig auf, durchforstete den Taschenbeutel, zog ihn gar ganz aus dem Rockfutter heraus - nichts. Sollte sie den Schlüssel in die andere Tasche getan haben? Sie durchsuchte auch diese, fand sie aber ebenso leer.
Sie hatte den Schlüssel verloren!
Megan stöhnte verzweifelt- Er musste herausgefallen sein.
Sorgsam suchte sie das Bett und den Boden ab - nirgends die Spur eines Schlüssels.
Er war verschwunden.
Nun hatte sie ein Problem
8. KAPITEL
Theo saß auf einer Bank im Garten und wartete auf die Zwillinge, die gleich vorbeigerannt kommen müssten - auf dem Weg zu Thisbes und Desmonds Labor. Ihm war aufgefallen, dass sie jeden Nachmittag dort waren, und Thisbe hatte ihm freudestrahlend berichtet, dass die neue Lehrerin sie gebeten habe, die beiden in Naturkunde zu unterrichten.
Natürlich war das naheliegend, wussten Thisbe und ihr Mann schließlich weitaus mehr in Fächern wie Chemie, Biologie und Physik als selbst der beste Hauslehrer. Doch nie zuvor hatte einer der Hauslehrer so bereitwillig einen Teil seiner Pflichten abgegeben. Theo fragte sich, ob Miss Henderson nur sehr klug war und den Jungen nicht mit falschem Stolz einen guten Unterricht in Naturkunde verwehren wollte - oder ob sie vielmehr Thisbes Hilfsbereitschaft ausnutzte, um zu verbergen, dass sie gar keine Lehrerin war.
Ihm war es von Anfang an schwer gefallen, sie für eine Lehrerin zu halten. Zunächst einmal war sie viel zu attraktiv, und nichts an ihr erinnerte auch nur entfernt an eine Gouvernante. Warum bewarb sich eine Frau darum, zwei Jungen mit einem solchen Ruf zu unterrichten, wie er Con und Alex vorauseilte? Und warum reiste eine Amerikanerin bis nach England, nur um Kinder zu unterrichten? Megans Antworten darauf waren zwar nicht gänzlich unglaubwürdig gewesen, aber auch nicht überzeugend.
Vor allem aber rührten seine Zweifel von dem seltsamen Umstand her, dass sie jener Frau aufs Haar glich, die ihm vor Jahren im Traum erschienen war. Dies war ihm unerklärlich, und er hatte auch niemandem davon erzählt, da wohl
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