Schatten über den Weiden: Roman (German Edition)
wurde und Schritte näher kamen. Mit einer Selbstverständlichkeit, die sie selbst erstaunte, lehnte sie sich an ihn, als er sich neben sie setzte und den Arm um sie legte.
»Ich hab’ dein Auto gesehen.«
»Wer hat die Blumen gepflanzt?«
»Ich. Das ist mein Besitz.«
»Mein Vater ist Hobbygärtner. In Georgetown hatte ich einen entzückenden kleinen Hinterhof, also habe ich natürlich Kurse in Gartenbau und Landschaftsgestaltung belegt. Der Garten ist mir auch wirklich gut gelungen, aber an den meines Vaters reichte er nicht heran. Es gibt Dinge, die kann man nicht aus Büchern lernen.«
»Ich pflanze das, was mir gerade gefällt.«
»Wenn ich noch einmal einen Garten hätte, würde ich das genauso machen.«
»Ich will dort drüben einen Steingarten anlegen.« Gabe deutete zum Fuß eines Hügels hinüber. »Warum hilfst du mir nicht dabei?«
Lächelnd schmiegte sie ihr Gesicht an die warme Haut seines Halses. »Ich würde vorher schnurstracks in die nächste Bücherei marschieren. Ich kann nichts dafür.«
»Also müßten wir Logik und Marotten in Einklang bringen, ehe wir die nächstgelegene Baumschule räubern.« Er tippte mit dem Finger unter ihr Kinn, um ihr Gesicht zu sich hinzudrehen. »Was liegt dir auf der Seele, Kelsey?«
Auf einmal wurde ihr klar, daß sie sich ihm ohne Bedenken anvertrauen konnte. Es gab nichts, was sie ihm nicht sagen konnte. »Ich habe heute etwas begonnen, das ich auch zu Ende führen werde. Jeder hat mich gewarnt, schlafende Löwen zu wecken, aber darauf kann und will ich nicht hören.« Sie atmete tief durch und wich ein Stück zurück, so daß sie sich nicht länger berührten. »Glaubst du, daß meine Mutter Alec Bradley ermordet hat?«
»Nein.«
Kelsey zwinkerte verwirrt und schüttelte dann den Kopf. »Einfach nur nein? Ohne Zögern, ohne Einschränkung?«
»Du hast gefragt, ich habe geantwortet.« Gabe bückte sich und pflückte eine Freesie ab, die er ihr reichte. »Ist es nicht viel wichtiger, was du glaubst?«
Wieder schüttelte sie den Kopf: »Du kannst nein sagen, einfach nein, obwohl du sie gar nicht kennst?«
»Nicht direkt.«
»Nicht direkt?« Kelsey< hob den Kopf. »Was soll das heißen?«
»Ich hatte von ihr gehört, und ich hatte sie auch schon gesehen.« Gabe neigte den Kopf und spielte mit ihren Haarspitzen. »Ich treibe mich schon ziemlich lange auf der Rennbahn herum, Kelsey, und ich erinnere mich, sie hier und da gesehen zu haben.«
»Da mußt du doch noch ein Kind gewesen sein.«
»Nicht in dem Sinne, wie du meinst. Aber es stimmt, ich kannte sie nicht gut und habe mir kein klares Bild von ihr machen können. Aber jetzt kenne ich sie.«
»Und?«
Sie wollte präzisere Auskünfte, dachte Gabe. Die würde sie immer verlangen. Nur war er nicht sicher, ob er sie ihr geben konnte. »Ich habe nicht zuletzt deshalb überlebt, weil ich in den Menschen lesen kann wie in einem Buch. Achte auf die Mimik, die Gestik, den Tonfall. Nimm zum Beispiel Spieler, Psychiater oder Polizisten. Alle diese Leute müssen über eine derartige Begabung verfügen, oder sie gehen unter. Naomi hat zwar den Abzug betätigt, aber keinen Mord begangen.«
Mit geschlossenen Augen schmiegte sie sich wieder an ihn. Die Blume, die er ihr gegeben hatte, verbreitete einen zarten, lieblichen Duft. »Das ist auch meine Überzeugung, Gabe. Aber vielleicht will ich einfach nur nicht akzeptieren, daß meine Mutter zu Recht verurteilt worden ist. Was meine Überzeugung trotzdem nicht erschüttert. Heute habe ich den Detektiv aufgesucht, der damals gegen sie ausgesagt hat.«
Seine Reaktion darauf war nur: »Du bist wohl überhaupt nicht auf den Gedanken gekommen, mich zu bitten, dich zu begleiten?«
»Das schon. Aber ich wollte das allein durchstehen.« Sie zuckte die Achseln. »Viel gebracht hat es eh’ nicht. Er hat mir nichts gesagt, was ich nicht schon wußte. Und als ich ihn engagieren wollte, um mehr über Alec Bradley herauszufinden, hat er mich abblitzen lassen.«
»Was wolltest du denn wissen?«
»So ziemlich alles. Meine Mutter ist nur ein Teil des Puzzles.« Kelsey machte sich los. »Was für ein Mann war er? Was wollte er eigentlich? Naomi sagte, er wurde grob und versuchte, sie zu vergewaltigen. Was war der Auslöser?«
»Hast du sie mal danach gefragt?«
»Das möchte ich nur tun, wenn es gar nicht anders geht. Sie würde abblocken, Gabe. Sicher, sie würde mir sagen, was sie weiß, aber das könnte die Fortschritte, die wir machen, zum Stillstand bringen. Und das
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