Schatten über Oxford
her.«
»Versuchen könntest du es zumindest. Du kannst ja Bitte nachsenden auf den Umschlag schreiben. Man weiß nie – vielleicht klappt es!«
»Das ist zwar eine bescheuerte Idee, aber ich könnte es probieren. Genau! Ich schreibe einfach einen Brief, in dem ich mitteile, dass ich gern Kontakt zu Alan Barnes aufnehmen würde. Ich werde nicht einmal sagen warum.«
»Am besten, du machst es jetzt sofort«, schlug Roz vor.
Kate gehorchte. Sie setzte sich an den Computer und schrieb einen sehr kurzen Brief.
»Was ist mit dem Umschlag?«, fragte sie. »Lieber gedruckt oder besser handschriftlich?«
»Schreib die Adresse mit der Hand. Das sieht weniger nach einer Postwurfsendung, sondern eher nach entfernter Verwandtschaft aus.«
»Gut.«
»Ich werfe ihn gleich auf dem Heimweg in den Briefkasten.«
»Aber du gehst doch noch nicht, oder?«
»Nicht sofort. Wir müssen wenigstens noch ein oder zwei dieser Kassetten abhören. Wer weiß, welche Schätze an Informationen sie enthalten.«
»Oder eine gebrochene, alte Stimme erzählt vom alljährlichen Tanz um den Maibaum.«
»Aha, da kommt wieder meine dauernd herumkrittelnde Kate zum Vorschein«, stellte Roz fröhlich fest. »Anscheinend fangen der gegrillte Fisch und die Beeren an zu wirken.«
»Wenn du meinst.«
»Wer ist überhaupt diese Miss Arbuthnot, die da auf deiner Liste steht? Hat Christopher sie nicht ebenfalls erwähnt?«
»›Miss Arbuthnot ist eine blöde Kuh‹«, zitierte Kate. »Sie war vermutlich seine Lehrerin. Ich bin ganz heiß darauf, sie endlich kennen zu lernen. Sie ist nach dem Krieg in der Gegend geblieben. Elspeth hat mir ihre Adresse besorgt, damit ich sie besuchen kann. Eine Pfarrerin zu kennen hat manchmal wirklich Vorteile.«
»Wir haben noch Zeit, uns ein oder zwei von diesen Kassetten anzuhören, ehe du anfangen musst, dich um Georges Abendessen zu kümmern.«
»Allmählich habe ich den Eindruck, du willst mit Estelle um den Titel ›Nervensäge des Jahres‹ konkurrieren.« Dennoch schaltete Kate den Kassettenrekorder an und legte eine Kassette ein.
»Was hören wir jetzt?«, erkundigte sich Roz.
» Dorfleben «,sagte Kate und drückte den Abspielknopf.
Eine krächzende, alte Stimme war zu hören, die in Wellen lauter und leiser wurde, als hätte ihr Besitzer in einem Schaukelstuhl gesessen und sich beim Erzählen dem Mikrofon einmal mehr und einmal weniger genähert.
»Die Toilette befand sich in einem Häuschen ganz hinten im Garten«, begann der Sprecher. »Unsere war wirklich hübsch. Unser Vater hatte blühende Büsche darum herum gepflanzt, damit wir dort ungestört waren. In Augenhöhe war ein kleines Loch, wo unsere Mutter feststellen konnte, ob alles in Ordnung war, wenn wir zu viel Zeit dort verbrachten. Damals gab es noch kein Toilettenpapier, so wie heute, sondern wir hatten nur in Stücke gerissenes Zeitungspapier, das an einem Nagel an der Tür hing. Ich glaube übrigens, dass sich in unserer Toilette die größten Spinnen des Dorfes aufhielten.«
»Müssen wir uns das wirklich antun?«, fragte Kate. »Du kannst ja ein bisschen vorspulen.« Die Stimme begann zu schnattern und zu quieken, dann fuhr sie fort: »… hielten natürlich ein Schwein. Die Hälfte davon gehörte der Kirche, und an dem Tag, an dem Vater schlachtete, wurde ein Mann vorbeigeschickt, der sicherstellte, dass der Pfarrer seinen Anteil bekam.«
Dieses Mal war es Roz, die den Vorspul-Knopf drückte. »… Mrs Clack verwahrte ihre falschen Zähne in einer Schüssel mit Wasser an der Eingangstür. Es war eine hübsche Schüssel mit einem blauen Muster. Mrs Clack verwahrte sie dort, damit sie die Zähne einsetzen konnte, ehe sie die Tür öffnete.«
»Um vorbeikommende Vertreter nicht zu verschrecken«, kommentierte Roz und hielt das Band an. »Sieh mal, hier ist eine Kassette mit der Aufschrift Die Evakuierten .Da ist vielleicht etwas Interessantes dabei. Leg sie ein. Ich möchte sie gern anhören.«
Dieses Mal wirkte die Stimme weniger alt. Die Sprecherin war eine Frau in Roz’ Alter, vermutete Kate. »Wir kamen aus London und fanden es auf dem Land schrecklich langweilig. Irgendwie herrschte auf dem Land viel weniger Leben, als wir gewöhnt waren. Außerdem mussten wir in unseren Gastfamilien im Haushalt mitarbeiten – das brauchten wir zu Hause bei Mutter nie. Trotzdem kamen wir auf unsere Kosten. Wir durften jeden Nachmittag das jüngste der Kinder spazieren fahren. Und außerdem brachten wie den Leuten Worte bei, die hier auf dem
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