Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Schatten über Oxford

Titel: Schatten über Oxford Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Veronica Stallwood
Vom Netzwerk:
dir?«
    »Was?«
    Manchmal hatte Emma solche Scheuklappen, dass sie selbst die einfachsten Höflichkeitsformen missachtete.
    »Ich habe mich für mein blassgrünes Kleid entschieden«, sagte Kate. »Ich weiß nicht, ob du es schon kennst.«
    »Wie sieht es aus?« Emma klang wie der Inbegriff der alten, unverheirateten Tante.
    »U-Boot-Ausschnitt, ärmellos, knielang. Dazu gehört ein passender langer Blazer. Es ist ein Grün wie ganz junge Weidenblätter.«
    Daraufhin entstand eine kurze Pause, entweder weil Emma die Beschreibung erst verdauen musste, oder weil sie ihre Erinnerung nach den Stichworten Blätter, Weide und jung durchforstete.
    »Dazu werde ich wohl ein Paar einfache helle Pumps tragen«, fuhr Kate fort. Sie verspürte Lust, Emma ein wenig aufzuziehen. »Und was das Make-up angeht, so gedenke ich mich gleichzeitig naiv-frech und raffiniert-mondän zu stylen.«
    »Schon gut«, meinte Emma. »Du brauchst nicht weiterzumachen, ich kann es mir vorstellen. Außerdem redest du völligen Schwachsinn.« Emma hatte sie also doch noch durchschaut.
    »Mein Haar liegt leider nicht so, wie ich es mir vorstelle« sagte Kate. »Ich habe es schon länger nicht mehr schneiden lassen – langsam gerät die Frisur aus der Form.« Schlimmer erschien Kate allerdings, dass ihr Haar am Ansatz begann, ihre wahre Haarfarbe zu verraten. Wenn sie sich wieder richtig wohl fühlte, würde sie einen Termin mit ihrer Friseurin ausmachen. Vielleicht nächste Woche.
    »Was wolltest du eigentlich von mir, Emma?«
    »Ich habe nichts anzuziehen«, jammerte Emma und kam damit auf den eigentlichen Grund ihres Anrufs zu sprechen.
    »Soll ich mit dir in die Stadt fahren und etwas Neues kaufen?«, fragte Kate und hoffte, dass Emma nein sagen würde. »Oder möchtest du lieber, dass ich herüberkomme und mit dir den Kleiderschrank durchstöbere? Vielleicht finden wir ja doch ein passendes Outfit, das deiner Aufmerksamkeit bisher entgangen ist.«
    »Würdest du das tun?« Emma klang tatsächlich noch verzweifelter als sonst.
    »Ich bin in zehn Minuten bei dir«, versprach Kate. Im Geist disponierte sie ihren Nachmittag um. Dabei hoffte sie, dass sie Emma so schnell helfen konnte, dass ihr trotzdem noch Zeit für ein entspannendes Bad blieb. »Wer passt heute Abend auf die Kinder auf?«
    »Jane, das junge Mädchen von nebenan. Die Kinder mögen sie. Vielleicht schafft sie es sogar, sie alle ins Bett zu stecken, ehe wir gegen Mitternacht heimkommen.«
    »Gut, dann ruf sie an und frag sie, ob sie ein oder zwei Stunden früher kommen kann. Du willst doch sicher nicht, dass die Kinder deine schicken Klamotten mit Spinat vollschmieren, während du dich zurechtmachst, oder?«
    »Das kostet aber Geld!«
    »Das übernehme ich. Ich lade dich dazu ein.« War Emma tatsächlich ständig klamm, oder tat sie nur aus Gewohnheit so? Kate bezahlte auch jedes Mal für Kaffee und Kuchen, wenn sie die Freundin in der Stadt traf. Außerdem hatte sie den Eindruck, dass Emma den Preis für jedes ihrer Kleidungsstücke im Kopf addierte und dann Kates Extravaganz missbilligte. Allerdings hielt Emma alles für extravagant, was nicht unmittelbar mit einem ihrer Kinder zu tun hatte.
    Trotz ihres Gelübdes, eine Woche ohne Auto auszukommen beschloss Kate, zu Emma zu fahren, und kam gleichzeitig mit dem Babysitter an.
    »Es wäre nett, wenn du uns die süßen Kleinen für ein paar Stunden vom Hals halten könntest«, sagte sie und reichte dem Mädchen eine Zehnpfundnote. Sie hatte keine Ahnung, wie viel so ein Babysitter kostete, hoffte aber, dass es genug war. »Das, was du für heute Abend mit Emma abgesprochen hast, bekommst du von ihr.«
    Die Tür wurde von einem der mittleren Kinder geöffnet, das Jane anstrahlte und Kate verständnislos anstarrte.
    »Du kennst mich!«, erklärte Kate dem Kind und starrte zurück. Bei den Dolby-Kindern zahlte es sich aus, hart zu bleiben.
    »Ich bin oben!«, rief Emma. Kate schlängelte sich an dem misstrauischen Sprössling vorbei und lief die Treppe hinauf.
    Emmas Kleiderschrank entsprach Kates schlimmsten Befürchtungen. Mit gerunzelter Stirn musterte sie ein wildes Durcheinander von Kleidungsstücken, die weder sonderlich frisch rochen, noch in einer bestimmten Ordnung aufgehängt waren – zumindest die nicht, die überhaupt auf Bügeln hingen. Die anderen lagen in einem unordentlichen Haufen zwischen den Schuhen auf dem Boden. Kate begann an einem Ende der Kleiderstange und arbeitete sich systematisch durch. Emma stand mit

Weitere Kostenlose Bücher