Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Schattenauge

Schattenauge

Titel: Schattenauge Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nina Blazon
Vom Netzwerk:
will los, solange die Autobahn noch leer ist. Und am Freitag um fünf bringt er ihn wieder zurück.«
    Natürlich sprach ihre Mutter nur von Fabio und nicht von beiden. Zoë verkniff sich die Frage, wohin Leons Vater und seine neue Freundin mit ihrem Bruder in Urlaub fahren würden. Ihre Mutter nahm wieder das Messer zur Hand und begann Gemüse zu schneiden. Wie jeden Samstag würde es auch heute Spaghetti geben – mit Tomatensoße für Leon und Tomatensoße mit Knoblauch, Basilikum und Chili für die »Großen«.
    »Ich habe übrigens mit Maria getauscht und übernehme heute ihre Nachtschicht«, fuhr ihre Mutter im Plauderton fort.
    Zoë fuhr hoch. »Heißt das, ich muss heute Nacht auf den Kleinen aufpassen? Ich wollte heute Abend weggehen!«
    Ihre Mutter hob nur die linke Augenbraue. »Mit Paula?«, fragte sie ironisch. »Tut mir leid, Schatz, aber heute musst du bei dem Kleinen bleiben. Es geht nicht anders.«
    Sie schüttelte bedauernd den Kopf. Eine blonde Strähne rutschte aus ihrer hastig hochgesteckten Frisur.
    Zoë schnaubte und lehnte sich mit verschränkten Armen zurück. Den ganzen Tag fieberte sie schon der Nacht entgegen – und jetzt das!
    »Du machst in letzter Zeit wohl nur noch Nachtschichten«, sagte sie missmutig. »Morgen bist du doch auch schon eingeteilt! Und dann wunderst du dich, warum du nichts auf die Reihe bekommst und ständig so erschöpft bist!«
    Ihre Mutter lachte. »So besorgt?«, meinte sie und seufzte. »Ja, du hast ja Recht. Aber es ist nur noch dieses eine Mal. Und der nächste Samstag gehört dir ganz allein, versprochen!«
    Der nächste Samstag klang wie nächstes Jahr . Schon jetzt hatte Zoë das Gefühl, in der Wohnung nicht mehr atmen zu können.
    »Ehrlich gesagt, ist es mir ohnehin lieber, wenn du heute hierbleibst«, fuhr ihre Mutter fort. »In der Stadt ist gerade der Teufel los – und dann die ganzen Betrunkenen! Letztes Jahr wurden bei uns zwei Jugendliche eingeliefert, die in eine Messerstecherei verwickelt wurden. Sie konnten beide überhaupt nichts dafür! Waren einfach am falschen Or t …«
    Zoë hörte kaum noch hin. Die Luft erschien ihr plötzlich so dicht wie Rauch. Sie ging zum Küchenfenster und öffnete es. Obwohl Samstag war, drang das Geräusch eines Schlagbohrers unerträglich laut in die Küche. Dennoch: Die frische Luft tat gut. Zoë hielt sich am Fensterbrett fest und schaute zum Kran hoch, der gerade einen Stapel Eisenstangen über die Baustelle schwenkte. Dabei fiel ihr Blick auf die alte Feuertreppe, die von Stockwerk zu Stockwerk bis hoch zum Flachdach des Hauses führte – ein Überbleibsel aus der Zeit vor der Renovierung. Eine Amsel saß auf einer Sprosse und betrachtete Zoë mit schief gelegtem Kopf. Dann, als hätte irgendetwas sie erschreckt, flatterte sie davon. Zoë zog sich wieder in die Sicherheit des Zimmers zurück und ließ sich auf den Küchenstuhl fallen. Ihre Mutter nahm eine Tomate und schnitt sie in Achtelstücke. Wieder einmal fiel Zoë auf, wie behutsam ihre Mutter mit allem umging, was sie in die Hände bekam. Ihre Bewegungen hatten etwas Graziles. Wie eine Frau aus Glas , dachte Zoë. Hart, aber zerbrechlich. Es war schwierig, wirklich wütend auf sie zu werden.
    »Ach so – und da ist noch etwas«, sagte ihre Mutter nun, ohne den Blick von dem Gemüse zu wenden. »Dr. Rubio hat mich gestern angerufen.«
    Zoë wusste nicht warum, aber sie horchte auf. Dr. Rubio war früher einmal Arzt in dem Krankenhaus gewesen, in dem Zoës Mutter als Krankenschwester arbeitete. Er lebte am Lindenplatz in der Nähe der Klinik. Ab und zu half ihm Zoës Mutter bei der Hausarbeit oder kaufte für ihn ein. Leicht verdientes Geld, wie die Mutter sagte. Ein Nebenjob, der die Kindergartengebühr für Leon einbrachte.
    »Und?«, fragte Zoë. »Was wollte er?«
    »Ic h … soll morgen bei ihm vorbeikommen.«
    »Was? Am Sonntag?«
    Ihre Mutter lächelte flüchtig und nickte. »Nur eine Stunde«, sagte sie entschuldigend. »Ich soll ihm helfen, das Zimmer umzuräumen, er will das Bett ans Fenster stellen.«
    »Du bist doch kein Möbelpacker. Soll ich mitkommen?«
    »Du weißt genau, dass er keinen außer mir in der Wohnung duldet. Nein, es ist keine große Sache – ich gehe einfach auf dem Rückweg von der Schicht bei ihm vorbei. Nu r … bin ich dann leider nicht da, wenn Fabio morgen Früh den Kleinen holt.«
    Zoë stöhnte auf. »Du willst also Fabio nicht sehen und ich muss es ausbaden! Habt ihr euch wieder gestritten? Wegen der

Weitere Kostenlose Bücher