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Schattenbluete - Band 1 - Die Verborgenen

Schattenbluete - Band 1 - Die Verborgenen

Titel: Schattenbluete - Band 1 - Die Verborgenen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nora Melling
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ganz früh.»
    «Nein», sage ich zu ihr, «es ist nicht Samstag.»
    Thursen umarmt mich und drückt mich zur Begrüßung. «Du solltest lieber in die Schule», sagt er. «Du musst doch zur Schule gehen.»
    «Schwänzt du etwa?», sagt Norrock und grinst. Zieht Krestor am Hinterbein zu sich, dass die Blätter fliegen, und kämmt kraftvoll dessen Rückenhaare mit gespreizten Fingern. Lurnak nutzt die Lücke und quetscht sich neben Sjöll. Reibt seinen Kopf an ihrer Schulter.
    «Das ist meine Sache. Und seine.» Ich lege Thursen meine Arme um den Hals. Lehne meine Stirn gegen seine Schulter. «Ich kann jetzt eh nicht denken», flüstere ich Thursen zu.
    Ich muss ihm nicht sagen, warum ich gekommen bin. «Wir können doch wann anders suchen», sagt er.
    «Und wann?»
    «Ich weiß nicht? Wann ist Wochenende?»
    «Warum   –», ich unterbreche mich und sehe ihn an. «Du willst gar nicht.»
    Er zuckt die Achseln. Vermeidet meinen Blick. «Doch, natürlich. Wenn es dir so wichtig ist.»
    Da ist etwas in seinem Gesicht. An seiner Art zu atmen. «Du hast Angst.»
    Einen Moment lang versucht er ein unbekümmertes Lächeln, zieht nur den Mund breit und vergisst die Augen. Dann seufzt er, beugt sich wieder zu mir, stützt sich fast auf mich. «Du ahnst nicht, wie sehr», murmelt er.
    Wir gehen ein paar Schritte von den anderen weg. Gerade so, dass sie uns nicht mehr verstehen können. «Du musst doch gar nicht Mensch sein, um nach dem Haus zu suchen», sage ich Thursen. «Es wird kaum anders sein, als würdest du als Karrs Hund durch die Stadt laufen. Und ich habe doch gesagt, wir drehen um, wenn es zu schlimm wird.»
    «Und wenn es dann zu spät ist? Wenn ich irgendwas in mir drin schon wieder aufgeweckt habe? Irgendetwas Riesiges, Bedrohliches? Was weiß denn ich, welches Geheimnis ich in mir trage?»
    «Feigling.»
    «Wer ist denn weggelaufen, als ich dir gesagt habe, dass ich ein Werwolf bin? Weißt du denn, ob du mich noch liebst, wenn du meine Vergangenheit kennst?»
    «Weißt du denn, wie lange du noch Mensch sein kannst, wie lange es dich überhaupt noch interessiert, ob ich dich liebe?»
    «Luisa!», fleht er.
    «Sjöll hat es mir doch gesagt. Du bist schon über dieZeit. Bald können wir gar nicht mehr miteinander reden, oder?»
    Er seufzt. «Ich weiß.»
    «Siehst du. Und ich will mehr Zeit. Irgendwie muss man das verdammte Vergessen doch aufhalten können!»
    Thursen nickt mir zu, akzeptiert endlich meinen Plan. Heute wird er mein Hund sein. Geht voraus, zu den anderen zurück, hockt sich zu ihnen und erklärt in schnellen Sätzen, was wir vorhaben.
    Sjöll sieht mich an, als könne sie nicht verstehen, was ich mir denke bei so einem Plan. Norrock verschwindet rechts in die Büsche. Wahrscheinlich hat er genug von uns.
    «Ich muss es doch wenigstens versuchen!», sage ich zu Sjöll.
    Sie sieht mit ihrem schräggelegten Kopf aus wie eine neugierige Amsel. «Wenn du meinst.»
    «Du hast was vergessen!», ruft Norrock plötzlich und wirft mir etwas zu. Ich greife erschreckt in die Luft und halte ein Gestrüpp aus Lederriemen in der Hand. Ducke mich weg, bevor die Schlaufen in mein Gesicht klatschen. «Was soll das?», schimpfe ich.
    «Berlin hat Leinenzwang!» Norrock lacht.
    Ich lache nicht. An der langen Leine ist ein Halsband befestigt, zwei Fingerbreit und mit Metallnieten beschlagen.
    Sehr witzig! «Soll ich Thursen wie einen Sklaven an die Kette legen, oder wie?» Ich will es zu Norrock zurückwerfen, ihm an den Kopf.
    Aber Thursen hält meine Hand fest. «Norrock hat recht», sagt er. «Immerhin werde ich gleich ein ziemlich großer Hund sein.» Thursen dreht mich an den Schultern von sich weg, als wollte er sich hinter meinem Rückenunbeobachtet umziehen. «Und ohne Leine fallen wir noch mehr auf.»
    Er wird sich nicht umziehen, er wird sich in einen Wolf verwandeln. Ob er meint, ihm dabei zuzusehen würde mir noch mehr Angst machen, als nur zu wissen, dass es geschieht? Ich höre, wie Thursen noch einmal tief Luft holt und sein Atem dann zu einem Hecheln wird.
    «Los, er ist fertig!», ruft Norrock.
    Ich drehe mich um. Alle sehen zu, neugierig, wie ich reagiere. Es ist ein seltsames Gefühl, so nah vor dem schwarzen Wolf zu stehen. Obwohl ich weiß, dass es Thursen ist, fühle ich etwas von der Fremdheit, der Magie, aber auch dem Unbehagen, das die Passanten dazu bringt, von diesen «Hunden» Abstand zu halten und eilig die Straßenseite zu wechseln.
    Eines noch, bevor wir losgehen. Ich klipse das Halsband

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