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Schattenblüte. Die Erwählten

Schattenblüte. Die Erwählten

Titel: Schattenblüte. Die Erwählten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nora Melling
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als es um sein Leben ging, hat er stillgehalten und jetzt, wo es um Vittorio geht, den er nicht mal richtig kennt, trickst er uns aus?
    Wir müssen ihn stoppen! Die Werwölfe werden trotzdem versuchen, Vittorio auszuschalten. Thursen, mein Thursen wird sterben.
    Die Wölfe jagen Edgar. Sie folgen ihrer Nase, haben sie im schnellen Lauf am Boden wie Bluthunde. Edgar ist nicht mehr zu sehen, ist mit der Dämmerung verschmolzen, doch seine Spur finden sie. Sie kennen seinen Geruch zu gut. Sie werden ihn aufhalten, bevor er die Shinanim erreicht, sage ich mir, während mein Herz hämmert und mir das Blut in den Ohren rauscht. Er wird ihnen nicht entkommen. Ich renne. Weiter.
    Er wird ihnen nicht entkommen, und was dann? Sie wissen jetzt, dass er unser Feind ist. Werwölfe geben ihren Feinden keine zweite Chance. Sie werden ihn sofort töten, wenn sie ihn erwischen. Es muss doch einen anderen Weg geben!
    Ich hetze eine kleine Kuppe hinauf, keuche atemlos und höre von der anderen Seite schon die Stimmen. Schreie. Jaulen. Dann Stille. Sie haben ihn. War es das schon? Ist er tot?
    Seitenstechen, das mich fast umbringt, doch ich renne weiter bergauf. Dann, kurz vor der Hügelkuppe kann ich sie endlich sehen. Dicht gedrängt wie schwarze Schattenrisse stehen die Wölfe. Ich versuche, Blut zu riechen, aber die kalte Winterluft riecht nur blank und blau nach Eisnadeln. Ich habe keine Wolfsnase mehr. Da sind lauter Wölfe, Pelz an Pelz, und dazwischen steht als einziger Mensch Thursen. Kein Edgar. Er müsste sie doch ebenfalls überragen, wenn er noch stehen könnte, oder nicht? Dann haben sie ihn schon am Boden? Er ist tatsächlich tot? Wer war es? Ich stolpere, so schnell ich kann, den Hügel hinab.
    Da ist ein Wimmern, ganz leise. So leise, dass es kaum das Keuchen meines Atems übertönt. Aus dem Pulk der Wölfe ragt etwas wie ein Bein und wird wieder verdeckt. Lebt er doch noch?
    Thursen dreht sich um, sieht mich und kommt mir mit schnellen Schritten entgegen.
    «Was ist passiert?», keuche ich. «Ist Edgar tot?»
    «Da», Thursen schaut mich traurig an. «Guck selbst.»
    Und dann machen die Wölfe Platz, und ich sehe Edgar endlich. Er ist tatsächlich am Boden. Er kniet, und da liegt eine junge Frau, ihren Kopf hält er in seinem Schoß. Ich höre sie leise wimmern, das war das Geräusch, das ich gehört habe, es kam von ihr, nicht von Edgar. Die anderen Wölfe, die es noch können, werden zu Menschen. Ein Arm streckt Edgar eine Wasserflasche hin. Edgar nimmt sie, blickt kaum auf. «Habt ihr Salz?»
    «Was willst du denn damit?»
    «Hier.» Mauriks fummelt ein Päckchen aus seiner Hosentasche und gibt es ihm.
    «Du hast das Salz aus dem Lager mitgenommen? Warum hast du uns nichts davon gegeben, als wir das Fleisch gebraten haben?», fragt ihn Irudit.
    Mauriks zuckt mit den Schultern. «Ihr habt nicht gefragt.» «Salzwasser ist ein Brechmittel», sagt Edgar, kippt das Tütchen ins Wasser und flößt es der Frau Schluck für Schluck ein. «Die hier hat sie alle geschluckt.» Er hält einen leeren Tablettenstreifen hoch. «Der war in ihrer Jackentasche.»
    «Wieso bist du bloß abgehauen?», fragt Polmeriak, das Wolfsgrollen noch in seiner Stimme. «Wenn ich dich eher erwischt hätte, wärest du tot!»
    «Tu nicht so, als wenn du mich immer noch gleich fressen willst», sagt Edgar. «Ich musste doch zu ihr, oder?»
    «Wie konntest du wissen, dass sie da ist?», fragt Irudit.
    «Ich weiß nicht. Ich dachte, ich müsste hier dringend hin, irgendwie. Sorry, dass ich euch reingelegt habe. Ihr hättet mir sonst nie die Fesseln abgenommen, oder? Und ich musste ihr doch helfen.»
    Weiter kommt er nicht, da übergibt sich die junge Frau. Er hilft ihr, sich halb aufzurichten und zu drehen, sodass sie sich auf den Waldboden erbricht und nicht auf ihre Jacke oder seine Hosenbeine. Sie würgt, hustet und spuckt ihren Mageninhalt in den Schnee. Endlich scheint sie fertig zu sein und kippt mit leisem Stöhnen zurück.
    Edgar sieht uns an. «Ich habe ehrlich keine Ahnung, woher ich wusste, dass jemand Hilfe braucht. Das ist wirklich keine geheime Shinanim-Sache, die ich euch nicht sagen will.»
    «Du hast dich schon zweimal in einen Wolf verwandelt. Du kannst jetzt auch die Seelen spüren, die sich auf den Weg zur Welt der Toten machen», sagt Thursen. «Das hat mit den Shinanim nichts zu tun, das ist Werwolfswissen. Ich hätte allerdings nicht gedacht, dass das auch bei einem von euch funktioniert.»
    Ich habe ein Papiertaschentuch und

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