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Schattenblume

Schattenblume

Titel: Schattenblume Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karin Slaughter
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ihrer
    Schürze. «Ich war trotzdem deinetwegen bei der Bäckerei.
    Ich wollte mit dir feiern. Nur weil sie tot ist –»
    «Ich weiß, Nan. Danke. Das ist wirklich lieb von dir.»
    «Da bin ich ja froh.»
    «Gut», sagte Lena und zwang sich, Nans ruhigem Blick
    standzuhalten. Obwohl sie eine solche Sauberkeitsfanati‐
    kerin war, ihre Brille putzte sie nie. Lena sah die Finger-42
    abdrücke aus drei Meter Entfernung. Und doch war ihr
    eulenhafter Blick hinter den Gläsern durchdringend. Lena
    biss sich auf die Lippen und kämpfte gegen das Bedürfnis, ein Geständnis abzulegen.
    Nan sagte: «Es ist einfach schwer ohne sie. Das weißt du
    ja. Du weißt, wie es ist.»
    Lena nickte. Sie versuchte den Kloß im Hals mit Kaffee
    hinunterzuspülen, doch der Erfolg war, dass sie sich den
    Gaumen verbrühte.
    «Ich habe dich gerne hier, das ist alles.»
    «Ich bin dir dankbar, dass ich so lange bei dir sein
    durfte.»
    «Ehrlich, Lee, du kannst so lange bleiben, wie du willst.
    Mir ist es recht.»
    «Ja», brachte Lena heraus. Sie sah in ihren Kaffee. Was
    würde Nan zu einem Baby sagen? Lena stöhnte innerlich.
    Nan würde das Baby wahrscheinlich lieben, ihm Schüh‐
    chen häkeln und es an Halloween in ein albernes Kostüm
    stecken. Sie würde nur noch Teilzeit in der Bibliothek arbeiten und dabei helfen, das Kind großzuziehen, und sie
    wären ein glückliches Ehepaar, bis Lena die Zähne ausfie‐
    len und sie am Stock ging.
    Wie um sie an Ethans Rolle bei dem Ganzen zu erin‐
    nern, klingelte das Telefon. Lena brachte es zum Schwei‐
    gen.
    Nan fuhr fort. «Sibyl hätte auch gewollt, dass du hier
    wohnst. Sie hat dich immer beschützen wollen.»
    Lena räusperte sich. Sie brach in Schweiß aus. Hatte
    Nan einen Verdacht?
    «Beschützen vor Dingen, die du nicht im Griff hast.»
    Das Telefon klingelte. Lena drückte die Tasten, ohne auf
    das Display zu sehen.

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    «Und mir tut es gut, jemanden um mich zu haben,
    der Sibyl kannte», fuhr Nan fort. «Jemand, der sie mochte und» – sie wartete ab, bis Lena das nächste Klingeln abgestellt hatte – «dem etwas an ihr gelegen hat. Jemand, der weiß, wie schwer es ist ohne sie.» Wieder verstummte sie, doch diesmal nicht wegen des Telefons. «Du siehst ihr
    nicht einmal mehr ähnlich.»
    Lena sah ihre Hände an. «Ich weiß.»
    «Das hätte ihr nicht gefallen, Lee. Das hätte sie am al-lerschlimmsten gefunden.»
    Beiden traten aus verschiedenen Gründen die Tränen in
    die Augen, und als das Telefon zum hundertsten Mal klingelte, nahm Lena ab, nur um den Bann zu brechen.
    «Lena», schrie Frank Wallace. «Wo zum Teufel warst
    du?»
    Sie sah auf die Uhr am Herd. Sie sollte erst in einer halben Stunde auf dem Revier erscheinen.
    Frank wartete ihre Antwort nicht ab. «Wir haben eine
    Geiselnahme auf dem Revier. Beweg deinen Arsch sofort
    hierher.»
    Dann knallte er den Hörer auf.
    Nan fragte: «Was ist?»
    «Eine Geiselnahme», sagte Lena und legte das Telefon
    auf den Tisch. Sie kämpfte gegen den Impuls, sich an die Brust zu greifen, wo ihr das Herz bis zum Hals schlug.
    «Auf dem Revier.»
    «O Gott», stöhnte Nan. «Das gibt es doch gar nicht.
    Wurde jemand verletzt?»
    «Er hat nichts gesagt.» Lena trank den Kaffee aus, ob‐
    wohl ihr Adrenalinpegel keinen weiteren Schub brauchte.
    Sie suchte auf der Küchentheke nach ihrem Schlüssel. Ihre Nerven waren zum Zerreißen gespannt.

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    Nan sagte: «Weißt du noch, was in Ludowici passiert
    ist?»
    «Lieber nicht.» Lenas Herz flatterte. Vor sechs Jahren
    waren im Nachbarbezirk sechs Gefangene aus ihren Zellen
    ausgebrochen und hatten einen Wärter in ihre Gewalt ge‐
    bracht. Es war zur Belagerung gekommen. Nach drei Ta‐
    gen waren fünfzehn Gefangene tot oder verletzt. Vier Po‐
    lizeibeamte waren gestorben. Im Geist ging Lena alle Cops
    durch, die sie auf dem Revier kannte, und fragte sich, ob einer von ihnen verletzt worden war.
    Sie durchsuchte ihre Taschen nach den Schlüsseln.
    Wieder klingelte das Telefon.
    Lena rief: «Wo sind meine –»
    Nan deutete auf den Haken in Form einer Ente der
    Wand. Beim zweiten Klingeln nahm sie das Telefon in die
    Hand. «Was soll ich ihm sagen?»
    Lena pflückte die Schlüssel vom Schnabel der Ente. Sie
    wich Nans Blick aus, als sie die Tür öffnete. «Sag ihm, ich bin schon bei der Arbeit.»

    Lena fuhr in ihrem Toyota Celica die Main Street hinunter und stellte überrascht fest, dass die Stadt wie ausgestorben
    war. Heartsdale war zwar nicht gerade eine brodelnde

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