Schattenblume
dieselbe.
«Liebes, du bist nur noch Haut und Knochen. ‹Weit› ist
einfach nicht für Frauen wie dich gedacht.»
Sara stützte sich auf der Kommode auf und holte tief
Luft. «Entschuldigt bitte», sagte sie so beherrscht wie
möglich und ging ins Bad. Sie musste sich zusammen‐
reißen, um nicht mit der Tür zu knallen. Dann klappte sie den Klodeckel herunter, setzte sich und ließ den Kopf in die Hände sinken. Draußen meckerte ihre Mutter weiter,
dass die Wäsche statisch aufgeladen sei und dass sie Sara den Bügelspray‐Coupon nicht hätte hinzulegen brauchen,
wenn sie ihn ohnehin nicht einlöste.
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Sara hielt sich die Ohren zu, und das Nörgeln ihrer Mutter wurde zu einem erträglichen Summen, nicht schlim‐
mer als eine heiße Nadel im Ohr. Seit dem Tag, als Sara etwas mit Jeffrey angefangen hatte, hackte Cathy auf ihr
herum. Sara schien nichts mehr richtig zu machen, ange‐
fangen bei ihrer Haltung beim Abendessen bis zum Par‐
ken auf der Auffahrt. Einerseits hätte Sara Cathy gerne
auf die ständige Krittelei angesprochen, andererseits wusste
sie ja, dass es nur Cathys Art war, mit ihren Mutterängsten umzugehen.
Sara sah auf die Uhr. Sie betete, dass Jeffrey pünktlich käme und sie endlich rettete. Er kam selten zu spät, noch eine der vielen Eigenschaften, die sie an ihm mochte. Egal,
wie oft Cathy behauptete, was für ein Lump Jeffrey Tolliver sei, er hatte immer ein Taschentuch dabei und hielt
Sara die Tür auf. Wenn sie im Restaurant vom Tisch auf‐
stand, stand er auch auf. Er half ihr in den Mantel und trug
ihren Aktenkoffer. Und als wäre das alles nicht genug, war
er so gut im Bett, dass sie sich beim ersten Mal fast die Zunge abgebissen hätte, um nicht laut seinen Namen her-auszuschreien.
«Sara?» Cathy klopfte an die Badezimmertür, sie klang
besorgt. «Alles in Ordnung, Liebes?»
Sara betätigte die Toilettenspülung und ließ Wasser ins
Waschbecken laufen. Als sie die Tür aufmachte, standen
ihre Schwester und ihre Mutter mit besorgten Blicken da‐
vor.
Cathy hielt eine rote Bluse hoch. «Ich finde nicht, dass dir die Farbe steht.»
«Danke.» Sara nahm die Bluse und warf sie in den Wä‐
schekorb. Dann kniete sie sich wieder vor ihre Bücher
und überlegte, ob sie anspruchsvolle Literatur mitnehmen
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sollte, um Jeffrey zu beeindrucken, oder leichte leichte
Kost, die sie lieber las.
«Ich verstehe gar nicht, warum ausgerechnet du ans Meer
fahren willst», sagte Cathy «Du bekommst doch sofort
einen Sonnenbrand. Hast du genug Sonnencreme dabei?»
Ohne sich umzudrehen, hielt Sara eine neongrüne Fla‐
sche Sunblocker hoch.
«So schnell, wie du Sommersprossen kriegst. Und deine
Beine sind schneeweiß. Mit so bleichen Beinen würde ich
keine Shorts tragen.»
Tessa kicherte in sich hinein. «Wie heißt das Mädchen
aus ‹Gidget›, das immer mit diesem Riesenhut am Strand
sitzt?»
Sara bedachte ihre Schwester mit einem bösen Blick.
Doch Tessa zeigte auf die Tüte mit den Keksen und dann
auf ihren Mund. Ihr Schweigen ließe sich kaufen.
«Larue», antwortete Sara und nahm Tessa die Tüte weg.
«Tessie», sagte Cathy «Hol mir mal das Bügelbrett.»
Dann fragte sie Sara: «Hast du überhaupt ein Bügeleisen?»
Sara lief rot an unter dem Blick ihrer Mutter. «In der
Kammer.»
Cathy seufzte missbilligend, als Tessa draußen war.
«Wann hast du die Wäsche gemacht?»
«Gestern.»
«Wenn du sie gleich gebügelt hättest –»
«Genau, und wenn ich die Kleider überhaupt nicht ge‐
tragen hätte, dann müsste ich mich jetzt auch nicht darum
kümmern.»
«Das Gleiche hast du schon mit sechs Jahren gesagt.»
Sara wartete.
«Wenn es nach dir gegangen wäre, wärst du nackt zur
Schule gegangen.»
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Sara blätterte durch ein Buch, doch sie war nicht bei
der Sache. Aus den Augenwinkeln sah sie, wie ihre Mutter die zusammengefaltete Wäsche wieder auseinander zerrte
und noch einmal faltete.
Cathy sagte: «Wenn es Tessa wäre, würde ich mir keine
Sorgen machen. Ehrlich gesagt», sie lachte leise und strich das nächste Hemd glatt, «da würde ich mir eher Sorgen
um Jeffrey machen.»
Sara legte ein Taschenbuch mit einem blutigen Mes‐
serschnitt quer über dem Cover auf den Stapel zum Mit‐
nehmen.
«Jeffrey Tolliver ist ein erfahrener Mann, im Gegensatz
zu dir, und das Grinsen habe ich gesehen, junge Dame.
Wohlgemerkt, ich rede nicht nur von dem, was unter der
Decke stattfindet.»
Sara nahm das nächste
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