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Schattenblume

Schattenblume

Titel: Schattenblume Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karin Slaughter
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dieselbe.
    «Liebes, du bist nur noch Haut und Knochen. ‹Weit› ist
    einfach nicht für Frauen wie dich gedacht.»
    Sara stützte sich auf der Kommode auf und holte tief
    Luft. «Entschuldigt bitte», sagte sie so beherrscht wie
    möglich und ging ins Bad. Sie musste sich zusammen‐
    reißen, um nicht mit der Tür zu knallen. Dann klappte sie den Klodeckel herunter, setzte sich und ließ den Kopf in die Hände sinken. Draußen meckerte ihre Mutter weiter,
    dass die Wäsche statisch aufgeladen sei und dass sie Sara den Bügelspray‐Coupon nicht hätte hinzulegen brauchen,
    wenn sie ihn ohnehin nicht einlöste.

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    Sara hielt sich die Ohren zu, und das Nörgeln ihrer Mutter wurde zu einem erträglichen Summen, nicht schlim‐
    mer als eine heiße Nadel im Ohr. Seit dem Tag, als Sara etwas mit Jeffrey angefangen hatte, hackte Cathy auf ihr
    herum. Sara schien nichts mehr richtig zu machen, ange‐
    fangen bei ihrer Haltung beim Abendessen bis zum Par‐
    ken auf der Auffahrt. Einerseits hätte Sara Cathy gerne
    auf die ständige Krittelei angesprochen, andererseits wusste
    sie ja, dass es nur Cathys Art war, mit ihren Mutterängsten umzugehen.
    Sara sah auf die Uhr. Sie betete, dass Jeffrey pünktlich käme und sie endlich rettete. Er kam selten zu spät, noch eine der vielen Eigenschaften, die sie an ihm mochte. Egal,
    wie oft Cathy behauptete, was für ein Lump Jeffrey Tolliver sei, er hatte immer ein Taschentuch dabei und hielt
    Sara die Tür auf. Wenn sie im Restaurant vom Tisch auf‐
    stand, stand er auch auf. Er half ihr in den Mantel und trug
    ihren Aktenkoffer. Und als wäre das alles nicht genug, war
    er so gut im Bett, dass sie sich beim ersten Mal fast die Zunge abgebissen hätte, um nicht laut seinen Namen her-auszuschreien.
    «Sara?» Cathy klopfte an die Badezimmertür, sie klang
    besorgt. «Alles in Ordnung, Liebes?»
    Sara betätigte die Toilettenspülung und ließ Wasser ins
    Waschbecken laufen. Als sie die Tür aufmachte, standen
    ihre Schwester und ihre Mutter mit besorgten Blicken da‐
    vor.
    Cathy hielt eine rote Bluse hoch. «Ich finde nicht, dass dir die Farbe steht.»
    «Danke.» Sara nahm die Bluse und warf sie in den Wä‐
    schekorb. Dann kniete sie sich wieder vor ihre Bücher
    und überlegte, ob sie anspruchsvolle Literatur mitnehmen

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    sollte, um Jeffrey zu beeindrucken, oder leichte leichte
    Kost, die sie lieber las.
    «Ich verstehe gar nicht, warum ausgerechnet du ans Meer
    fahren willst», sagte Cathy «Du bekommst doch sofort
    einen Sonnenbrand. Hast du genug Sonnencreme dabei?»
    Ohne sich umzudrehen, hielt Sara eine neongrüne Fla‐
    sche Sunblocker hoch.
    «So schnell, wie du Sommersprossen kriegst. Und deine
    Beine sind schneeweiß. Mit so bleichen Beinen würde ich
    keine Shorts tragen.»
    Tessa kicherte in sich hinein. «Wie heißt das Mädchen
    aus ‹Gidget›, das immer mit diesem Riesenhut am Strand
    sitzt?»
    Sara bedachte ihre Schwester mit einem bösen Blick.
    Doch Tessa zeigte auf die Tüte mit den Keksen und dann
    auf ihren Mund. Ihr Schweigen ließe sich kaufen.
    «Larue», antwortete Sara und nahm Tessa die Tüte weg.
    «Tessie», sagte Cathy «Hol mir mal das Bügelbrett.»
    Dann fragte sie Sara: «Hast du überhaupt ein Bügeleisen?»
    Sara lief rot an unter dem Blick ihrer Mutter. «In der
    Kammer.»
    Cathy seufzte missbilligend, als Tessa draußen war.
    «Wann hast du die Wäsche gemacht?»
    «Gestern.»
    «Wenn du sie gleich gebügelt hättest –»
    «Genau, und wenn ich die Kleider überhaupt nicht ge‐
    tragen hätte, dann müsste ich mich jetzt auch nicht darum
    kümmern.»
    «Das Gleiche hast du schon mit sechs Jahren gesagt.»
    Sara wartete.
    «Wenn es nach dir gegangen wäre, wärst du nackt zur
    Schule gegangen.»

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    Sara blätterte durch ein Buch, doch sie war nicht bei
    der Sache. Aus den Augenwinkeln sah sie, wie ihre Mutter die zusammengefaltete Wäsche wieder auseinander zerrte
    und noch einmal faltete.
    Cathy sagte: «Wenn es Tessa wäre, würde ich mir keine
    Sorgen machen. Ehrlich gesagt», sie lachte leise und strich das nächste Hemd glatt, «da würde ich mir eher Sorgen
    um Jeffrey machen.»
    Sara legte ein Taschenbuch mit einem blutigen Mes‐
    serschnitt quer über dem Cover auf den Stapel zum Mit‐
    nehmen.
    «Jeffrey Tolliver ist ein erfahrener Mann, im Gegensatz
    zu dir, und das Grinsen habe ich gesehen, junge Dame.
    Wohlgemerkt, ich rede nicht nur von dem, was unter der
    Decke stattfindet.»
    Sara nahm das nächste

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