Schattenbraut - Black, L: Schattenbraut - Takeover (1)
überprüft werden. Frank klappte das Mobiltelefon zu und sagte: »Ich will alles wissen, selbst, ob der Kerl seinen Kabelanschluss nicht bezahlen konnte. Er taucht als Leiche auf, und eine Stunde später wird die Bank, in der er arbeitet, überfallen? Das kann doch kein Zufall sein. Was passiert gerade?«
»Nichts.« Einer der Geiselnehmer kam in Sicht. Theresa konnte nur seinen Rücken sehen. Er trug eine dunkelblaue Windjacke und Jeans und hielt ein sehr großes Gewehr, doch seine Haltung war vollkommen ruhig. Ein Kommandant, der seine Truppen im Blick behält. »Warum können wir ihn nicht einfach erschießen?«
»Weil er einen Partner hat«, erklärte Frank. »Es gibt nur dieses eine Fenster, durch das wir schießen könnten, und es sind nie beide gleichzeitig in dem Bereich. Wenn es uns also gelänge, den einen niederzustrecken …«
»… wäre da immer noch sein Partner, der alle umbringen könnte.« Und selbst wenn beide zusammen unter dem Fenster stünden, wären sie genau vor ihren unschuldigen Gefangenen. »Können wir irgendetwas hineinleiten? Kein Tränengas, sondern Stickoxide, die alle einschlafen lassen.«
»Die Halle ist zu groß. Wir könnten das Gas nicht gleichmäßig verteilen, weshalb einige Leute vor den anderen ohnmächtig werden könnten.«
»Und einer der Bankräuber könnte in Panik geraten und wild um sich schießen.« Der Mann in der dunkelblauen Jacke blieb plötzlich stehen, drehte sich um und sah zu den Bibliotheksfenstern hinauf, als ob er Theresas forschenden Blick spürte. Sie zuckte vom Teleskop zurück, erkannte jedoch sogleich, wie lächerlich ihr Verhalten war, und blickte wieder durch das Fernrohr. Der Mann starrte immer noch in ihre Richtung.
Er war schlank und drahtig, mit hohen Wangenknochen und hellbrauner Hautfarbe. Sein Haar war kurz geschoren, und er hatte eine kleine Tätowierung oder ein Muttermal im Nacken, schräg unter seinem linken Ohr. Sein Gesicht war so entspannt wie sein Gang – warum? Warum war er so gelassen?
Bewaffnete Raubüberfälle und Geiselnahmen waren weit von Theresas Fachgebiet entfernt. Sie hatte keine Ahnung, was geschehen war, was geschehen würde, oder was geschehen sollte. Sie hing vollkommen in der Luft, konnte keine Untersuchungen oder chemischen Analysen durchführen, die ihr Informationen und eine Richtung verschafften, in die man die Ermittlungen fortführen konnte. Sie konnte nur dabeistehen und zusehen.
Sein Partner musste den Mercedes gefahren haben; dieser Mann hier war zu groß für die Einstellung des Fahrersitzes. Außer sie hatten den Wagen gestohlen, und der Schwarze hatte den Sitz nicht verstellt – was allerdings unwahrscheinlich war, da die meisten Männer beim Fahren bequem sitzen mussten.
Da. Eine interessante Schlussfolgerung, die ihr kein Stück weiterhalf, ihr nicht verriet, warum sie ohne einen Fahrer versucht hatten, eine Bank zu überfallen, und sich damit in die Gefahr brachten, von ihrem Fluchtfahrzeug abgeschnitten zu werden. Das machte Theresa Angst, weil es bedeutete, dass die Geiselnehmer dumm waren. Und Dummheit war hochgefährlich.
Sie riss sich von dem Teleskop los und nahm sich einen Moment für ihre normale Reaktion in Krisensituationen. Wo ist meine Tochter? Rachael müsste jetzt in ihrer Trigonometrie-Klasse der elften Jahrgangsstufe sitzen, mit abgeschaltetem Handy. Heute sollte sie eine Prüfung schreiben und hatte deswegen ein Date am vorigen Abend abgesagt, um zu lernen. Meine Mutter ? Sie war bei der Arbeit in einem Diner und versuchte den Kunden ans Herz zu legen, was sie zuletzt auf Food Network gesehen hatte. Es war eher ein Restaurant als ein Schnellimbiss und ohne einen Fernseher, außer die Angestellten hatten einen Pausenraum – hatten sie eigentlich einen? Tess konnte sich nicht erinnern. Paul ? Er war in der Bank auf der anderen Straßenseite, die Hände hinter dem Kopf verschränkt. Alle nicht bei ihr, doch zumindest wusste sie, wo sie sich aufhielten.
»Sollten wir nicht versuchen, mit ihnen Kontakt aufzunehmen? Oder zumindest so tun, um sie so lange abzulenken, während die …«, sie musste sich zwingen, das Wort auszusprechen, »… Geiseln durch eine andere Tür flüchten?«
Offensichtlich hatte Frank bereits den Aufbau der Schalterhalle ausgekundschaftet. »Nein. Der Eingang an der Sixth Street ist der einzige Weg in die Halle hinein und auch wieder hinaus. An der gegenüberliegenden Wand befinden sich zwei Aufzüge zu den oberen Stockwerken und eine Tür zur
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