Schattenbraut - Black, L: Schattenbraut - Takeover (1)
Daumen auf eine ältere Dame in einem gut geschnittenen Kostüm; sie stellte einen Flachbildschirm auf den Lesetisch, während ein junger Mann die Oberfläche mit einer Telefonanlage zustellte. »Die Chefbibliothekarin der Rechercheabteilung. Hat mich aber immerhin noch nicht angefaucht, ich soll ruhig sein.«
»Was siehst du?«
»Nicht viel.« Er trat einen Schritt zurück.
Theresa übernahm das Teleskop mit klopfendem Herzen. Die Fenster der zweistöckigen Schalterhalle waren gitterverkleidet, und die helle Straße spiegelte sich in ihnen. Theresa bewegte das Teleskop, sah aber nur hier einen Tisch, dort einen Stuhl. »Ich sehe niemanden.«
»Sie halten sich alle in der inneren Schalterhalle auf. Du musst durch das Fenster genau über dem Eingang schauen, es ist das einzige mit normalem Glas in der inneren Wand. Ansonsten blicken wir nur auf die Außenbüros, und die sind leer.«
Sie bewegte das Teleskop wieder, zu stark diesmal und musste es ein Stück zurückschwingen. »Und was können wir dann überhaupt tun, wenn wir sie nicht sehen? Sie könnten schon alle umgebracht haben …«
Hinter den Gitterverkleidungen, den Außenfenstern und dem Innenfenster, über den Metalldetektor und eine Drehtür hinweg, sah sie Paul. Zumindest dachte sie es. Neben einem älteren Schwarzen war der Ärmel eines Sakkos zu sehen – ein schmaler Streifen schiefergrauen Stoffs, die Farbe des Sakkos, das sie Paul zu seinem Geburtstag geschenkt und das er an diesem Morgen getragen hatte. Noch aufrecht. Noch am Leben.
Sie fixierte das Stück Ärmel, bis Frank ihr eine Hand auf die Schulter legte. »Geht es dir gut?«
»Eine Kamera«, sagte sie, »wir brauchen eine Kamera …«
»Es gibt Überwachungskameras in der Schalterhalle, schon vergessen? Wir haben ein Bild, sobald Jason hier drüben den Monitor angeschlossen hat.« Er stellte ihr den jungen Mann am Lesetisch als Chris Cavanaughs Assistent vor.
»Arbeitet ihr normalerweise nicht in einem Van oder so was?«, wollte Theresa von ihm wissen.
»Stimmt schon, aber die Klimaanlage ist kaputt, und wir würden einen Hitzschlag bekommen, wenn wir versuchen würden, da draußen ernsthaft zu arbeiten. Und so viel Ausrüstung brauchen wir gar nicht, wie man meinen könnte – Chris braucht eigentlich nur ein Telefon.«
»Und wo ist Chris?«
»Auf dem Weg.«
Theresa wischte sich den Schweiß von der Stirn und verschmierte dabei ihren Laborkittelärmel mit Make-up. Sie zog den Kittel aus und hielt ihre Seidenbluse von ihrem feuchten Körper ab, um sich etwas Kühlung zu verschaffen. »Wo sind eigentlich alle anderen? Ich hätte einen Riesenauflauf erwartet.«
»Oh, den haben wir auch«, versicherte ihr Frank. »Fünfzehn Einheiten sind auf den Straßen, sperren den Bereich hier ab und leiten den Verkehr um. Die Sicherheitskräfte der Bank haben die Angestellten aus dem Gebäude zum Hampton Inn gebracht; die meisten werden gerade nach Hause geschickt. Die Scharfschützen nehmen ihre Plätze ein. Und die Bosse sind in den Angestelltenbüros.« Er deutete mit dem Kopf in die Richtung, aus der leises Murmeln drang. »Fechten aus, wer die Verantwortung und den Oberbefehl übernimmt.«
»Wer die Verantwortung hat? Paul ist in Lebensgefahr, und die teilen schon mal den Ruhm auf?«
Die Bibliothekarin unterbrach für einen Moment ihre Arbeit, als ob nur ihr Mitgefühl sie davon abhielte, Theresa zur Ruhe aufzufordern. Über ihrem Kopf starrten zwei stilisierte griechische Götter missbilligend auf die Polizisten herab.
»Keine Angst, Tess. Besser, sie streiten sich jetzt darum, dann ist später alles geklärt.«
»Und wer hat nun den Oberbefehl?«
»Theoretisch die Sicherheitskräfte der Bank, aber da Paul da drin ist und es eine mögliche Verbindung zum Ludlow-Fall gibt, ist auch die Polizei von Cleveland involviert. Aber da es sich um einen Bankraub handelt, der auf Regierungsgrund stattfindet, könnte das FBI alles an sich reißen, wenn es wollte – und sie wollen. Im Moment nicken sie noch zu allem und versichern größtmögliche Kooperation, aber du weißt ja, wie sie sind. Nicht dass ich jetzt zynisch wäre oder so.«
Theresa setzte großes Vertrauen in das FBI – auch wenn sie zu diplomatisch war, um das Frank gegenüber zuzugeben –, war jedoch im Moment alles andere als beruhigt. Die Kavallerie sollte zur Rettung heranstürmen, nicht an einem Tisch hinter Bücherreihen versteckt sitzen. »Wunderbar. Und während sich alle gegenseitig in den Hintern kriechen, merken sie
Weitere Kostenlose Bücher