Schattenbraut - Black, L: Schattenbraut - Takeover (1)
nützlich. Doch auch für ihn war der Welpenschutz irgendwann vorbei, und man munkelte, dass Viancourt im nächsten Jahr ersetzt werden würde, wenn er bis dahin nicht mehr tat, als Interviews zu geben. »Verdammt.«
Jason tröstete ihn: »Spielt sowieso keine Rolle. Das FBI hat da Vorrang.«
Oh, noch besser, die Feds. Da war ihm Viancourt sogar noch lieber, aber nach seiner Meinung würde niemand fragen. Da drüben an der Ecke Superior und East Sixth war die Hölle los, und die obersten Wichtigtuer der drei involvierten Polizeieinheiten hatten sich in einem Konferenzraum verbarrikadiert und lieferten sich einen Schwanzvergleich über die Zuständigkeit in diesem Fall. Patrick wandte sich praktischeren Dingen zu. »Warum haben wir kein Telefon da reingeschickt?«
»Brauchen wir nicht, es gibt Telefone in der Schalterhalle. In der Hälfte der Fälle rufen uns die Geiselnehmer zuerst an, ob Sie es glauben oder nicht. Doch es ist normalerweise besser, wenn Chris den Kontakt aufnimmt.«
»Und wo genau ist Chris? Bei einer Buchsignierstunde? Oder bei Filmaufnahmen für einen neuen Beitrag auf Channel Fifteen?«
»Er ist auf dem Weg«, sagte Jason gelassen, ohne Zweifel an solche eifersüchtigen Äußerungen von Cops gewöhnt, die nicht die Möglichkeit von Chris Cavanaugh hatten, für sich selbst zu werben. Frank Patrick wünschte, es wäre nur Eifersucht. Wenn es Cavanaugh gelänge, Paul heil aus der Sache rauszubringen, würde Frank ihn freiwillig zum Fernsehsender fahren. Er neigte seinen Kopf zum Teleskopsichtstück.
»Hey.«
Er blickte auf. Ein uniformierter Cop stand neben einem Schild mit der Aufschrift »Genealogie und Heraldik«.
»Sind Sie Frank Patrick?«
»Ja, der bin ich.«
»Hier ist eine Frau, die Sie sehen will. Kommen Sie bitte mit«, sagte er über die Schulter, schon im Gehen begriffen. »Sie sagt, sie ist …«
»Ich kenne sie«, versicherte ihm Frank. »Hast du was im Auto gefunden, Tess?«
4
9:04 Uhr
»Eine neue Heirat«, hatte sie zu Paul vor nur zwei Wochen gesagt, »ist der Triumph der Hoffnung über die Erfahrung.«
»Sagt wer?«
»Dr. Samuel Johnson.«
»Dann sollte ich vielleicht diesen Scheck festhalten.« Er hatte das farbige Stück Papier über der Reling flattern lassen. Das Schiff unter ihren Füßen schaukelte sanft auf den Wellen. Die Goodtime II veranstaltete Charter- und Mittagessenfahrten, und Theresa und Paul wollten sie für ihre Hochzeitsfeier buchen. Sie hatten alles mit dem Manager besprochen und standen nun im Bug und genossen die frische, leicht nach Fisch riechende Luft. Die Hitzewelle hatte noch nicht eingesetzt, und die Sonnenstrahlen waren angenehm, wie sie vom Wasser und der Glaspyramide der Rock and Roll Hall of Fame reflektiert wurden.
Hoffnung triumphiert über Erfahrung. Pauls erste Frau war an akuter myeloischer Leukämie gestorben, eine Krankheit, die so schnell und aggressiv verlief, dass die Trauer noch vor dem Schock über die Diagnose einsetzte. Theresa hatte ihren Mann an eine andere Frau verloren, und dann an noch eine andere, auf die so viele weitere gefolgt waren, bis sie den Überblick verloren hatte.
Ihre Erfahrungen waren verschieden, doch sie glaubte, dass ihre Hoffnung dieselbe war. Dass man sich dieses Mal nicht belügen, Fehler nicht wiederholen würde, das Schicksal ihnen eine Pause zugestand. Dieses Mal würde es halten.
Sie hatte ihm den Scheck aus den Fingern gezogen. »Dann geben wir dem Mann mal sein Geld.«
Jetzt konnte sie das blaue Wasser nur sehen, wenn sie ihre Wange an das Bibliotheksfenster presste und nach Norden die enge Straße entlang sah. Der Hafen war zwei Blocks von hier entfernt. Die Hochzeit sollte in zwei Monaten stattfinden. Beides schien so unendlich weit weg zu sein.
Sie blickte vorsichtig nach unten, voller Angst, Pauls zerschmetterten Körper auf dem Gehsteig liegen zu sehen, doch alles war ruhig in dem abgesperrten Bereich zwischen den beiden Gebäuden. Wenn die Straße nicht so unheimlich leer wäre, könnte es ein ganz normaler Tag sein.
»Wir haben diese Hälfte der Bibliothek evakuiert, falls die Geiselnehmer aus der Bank kommen und wild um sich schießen.« Ihr Cousin Frank fragte nicht, wie es ihr ging, sagte ihr nicht, sie solle sich keine Sorgen machen. Oder hob gar den Blick vom Teleskop. Wie Don wusste er, dass er ihre fast schon übermenschliche Selbstbeherrschung nicht zerstören durfte. »Wir haben einige Studenten und Obdachlose aufgescheucht und verärgert. Und sie.« Er deutete mit dem
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