Schattenbraut - Black, L: Schattenbraut - Takeover (1)
sich. Frank und die Bibliothekarin waren nicht zu sehen; Kessler trank eine Tasse Kaffee, als ob es eine Buße wäre. Jason setzte sich auf Cavanaughs andere Seite. Assistant Chief Viancourt wanderte mit höflichem Interesse durch die Bücherreihen, etwa, als ob er sich bei seinen Schwiegereltern befände. »Es steht auf der Superior, vor dem Hampton Inn «, fügte sie hinzu.
Cavanaugh bedachte sie mit einem so scharfen Blick, dass sie sich unwillkürlich die Frage stellte, was er da sah. Ein rotes Gesicht und eine zerknitterte Bluse, die Stimme angespannt genug, um eine Geige damit zu stimmen – keine professionelle Wissenschaftlerin, sondern eine Frau am Rande des Nervenzusammenbruchs? Sie zwang sich, tief durchzuatmen und bei einem Stuhl stehen zu bleiben, ihre Hand auf dessen Lehne zu legen und so zu tun, als ob sie an diesem sonnigen Vormittag nichts Besseres zu tun hätte, als die Bibliothek zu besuchen.
Doch er sagte nur: »Kann man es von der Lobby aus sehen?«
»Nur, wenn sie durch die Angestelltenlobby und an der Einsatztruppe vorbei zum Ausgang zur Superior gehen.«
»Gut.« Er wandte sich zurück zu der Frau vor ihm, einer Schwarzen mittleren Alters in einem dunkelblauen Hosenanzug und bequemen Schuhen. »Fahren Sie fort, Mrs. Hessman.«
Theresa schlich sich zu dem adrett gekleideten Assistant Chief hinüber, der nun die Rückseiten des The British Museum Catalogue of Seals abschritt. Sie stellte sich ihm vor und musste erst eine lange Rede über sich ergehen lassen, wie »cool« ihre Arbeit doch sein müsse, bevor sie weitersprechen konnte. Er schien nichts von ihrer Beziehung zu Paul zu wissen, und sie sah keinen Grund, ihn ins Bild zu setzen. »Ich könnte Ihren Einfluss für eine Sache brauchen«, sagte sie und reichte ihm die Plastikhülle mit dem pulververschmierten Umschlag aus dem Auto der Bankräuber, während sie ihm das Problem mit der Frankiermaschine erklärte. »Man wird mir den Namen der Firma nicht geben, zumindest nicht sofort. Ich müsste erst alle möglichen Formulare und Dokumente faxen. Aber wenn jemand in Ihrer Position eine Anfrage stellte …«
Theresa war nie gut im Manipulieren gewesen und konnte jetzt kaum glauben, wie leicht es war. Die Brust des Mannes weitete sich, und er nickte feierlich. Er tätschelte ihr sogar die Hand und sagte, dass er sich sofort darum kümmern würde, bevor er geschäftig aus dem Raum eilte. Sie sah ihm nach. Der arme Kerl wollte einfach nur etwas zu tun haben.
Wenn sie jetzt noch Cavanaugh davon überzeugen konnte, Lucas das Auto zurückzugeben, könnte dieser Tag doch noch gut enden.
Theresa hörte zu, wie Chris der anderen Frau Fragen stellte. Sie versuchte, ganz ruhig stehen zu bleiben und den Eindruck zu erwecken, dass sie sich unter Kontrolle habe. Sie wünschte, Frank wäre hier. Sie arbeitete jeden Tag mit Cops, war aber selbst keiner, und Franks und Pauls Gegenwart war ein willkommener Puffer gegen die unbekannten Gesichter.
»Sie haben Mark Ludlows Wechsel organisiert?«, fragte Chris.
»Ja. Eine ganze Reihe unserer Revisoren war zur gleichen Zeit eingestellt worden, weswegen jetzt auch alle gleichzeitig in Rente gingen. Wir hatten hier vor Ort nicht genügend Ersatz. Es ist schwer, einen erfahrenen Notenbankrevisor zu finden, der bereit zu einem Umzug ist, vor allem nicht nach Cleveland, so ungern ich das sage.«
Sie kicherte leise, und Cavanaugh nickte. Cleveland würde es nicht unter die Top Zehn der beliebtesten Städte der USA schaffen. Nicht mal unter die Top Fünfzig.
»Sie haben ihn also zu einem Umzug von Atlanta hierher überredet?«
»Nein, er hat auf eine Online-Ausschreibung geantwortet. Er wollte hierher.«
»Warum?«
Sie schwieg einen Moment, ihre Finger umfassten das goldene Kreuz, das sie an einer Kette um den Hals trug. »Ich glaube, seine Begründung war, dass Atlanta zu voll geworden sei. Es ist ja wirklich eine riesige Stadt. Aber er hat dennoch hart verhandelt – er wurde befördert und hat auch noch eine Stelle für seine Frau dabei herausgeschlagen.«
»Was arbeitet seine Frau?«
»Sie ist Sekretärin in der Sparbriefabteilung.«
»Sie arbeitet also nicht mit ihrem Mann zusammen?«
»O nein! Familienangehörige können nicht mit anderen Familienangehörigen in einem Aufsichtsverhältnis arbeiten. Sie kann Maschine schreiben und hat etwas Kirchenarbeit gemacht, bevor das Baby auf die Welt kam, weshalb wir sie im Assistenzbereich unterbrachten.«
»Haben Sie sie kennen gelernt?«
»Ja – Jessica
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