Schattenbraut - Black, L: Schattenbraut - Takeover (1)
verbergen. »Am Autoschlüssel des Mercedes hängt ein roter Anhänger, ein Gummirelief von Männergesichtern. Ich glaube, er stammt aus dem Stone Mountain State Park bei Atlanta, wo Jackson, Lee und Davis in einen Berg eingemeißelt sind. Bei dem Dreck, den ich auf den Fußmatten gefunden habe, handelt es sich um Lehm mit Eisenoxid. Rost – das hat der Toxikologe gesagt.«
»In Georgia gibt es rote Erde«, sagte Cavanaugh.
»Genau. Don glaubt, dass der Zweig aus dem Kofferraum von einer Magnolie stammt. Hier wachsen sie auch, aber besonders oft kommen sie in Georgia vor.«
»Jason? Stimmt das?«
»Exakt. Bobby hat gerade eine achtmonatige Strafe wegen Verletzung der Bewährungsauflagen im Staatsgefängnis von Atlanta verbüßt.«
»Geben Sie der Frau hier eine Zigarre. Was wissen wir über seinen Zellengenossen?«
»Einunddreißigjähriger Schwarzer aus Raleigh, Dunston Taylor.«
Theresas eigene Enttäuschung spiegelte sich in Cavanaughs Gesicht.
»Nicht Lucas, auch nicht als zweiter Vorname, aber er wurde eine Woche vor Bobby entlassen«, fuhr Jason fort. »Die Kollegen durchsuchen die Datenbank jetzt nach allen Lucas’, die sich im Moment auf freiem Fuß befinden.«
»Was ist mit den Wachleuten?«, fragte Theresa.
»Die Angestelltenverzeichnisse werden ebenfalls durchsucht.«
»Wie kommen also zwei Durchschnittsmistkerle im Gefängnis mit einem Revisor der Notenbank in Kontakt?«, fragte Cavanaugh.
Jason wusste darauf keine Antwort, und Theresa war es egal. »Können wir uns darüber nicht später Gedanken machen? Die haben gerade eine der Geiseln getötet. Was tun wir, bevor sie die anderen auch noch erschießen?«
Cavanaugh glitt mit katzenhafter Eleganz vor das Telefon. »Ich werde Lucas fragen, wen er erschossen hat und warum. Und dann sprechen wir über seine Gefühle.«
Theresa kehrte zu dem Teleskop zurück. Bis auf die fehlende junge Frau hatte sich nichts in der Reihe der Geiseln geändert.
Ms. Elliott, die leitende Bibliothekarin, tauchte neben ihrem Ellenbogen auf. »Wie geht es Ihnen?«
»Gut«, antwortete Theresa.
Ms. Elliott wartete schweigend.
»Ich atme ein und aus. Mehr weiß ich gerade nicht.« Theresa lehnte sich mit der Hüfte gegen das breite Fensterbrett. Selbst der Marmor hatte sich im Sonnenschein aufgeheizt. Sie atmete den Geruch staubiger Bücher ein. »Mein Großvater hat früher hier gearbeitet.«
Peggy Elliott fragte behutsam nach, als sei Theresa eine besonders schüchterne Schülerin, die darum bat, eine Zeitschrift benutzen zu dürfen. »Bei der Notenbank?«
»Nein, hier in der Bibliothek.« Theresa sprach, ohne sich vom Fenster wegzudrehen, doch sie konnte die starke Gestalt der anderen Frau sehen, wie sie sicher an der Wand zwischen den Fenstern lehnte und Theresa beobachtete. »Natürlich ist das lange her … um 1930 etwa? Er war ein Page. Gibt es die noch? Pagen?«
»Natürlich. So heißen sie jetzt allerdings nicht mehr.«
»Was tun sie?«
»Bücher einstellen, den Benutzern bei Fragen helfen.«
»Er hat immer viel gelesen.« Theresa blickte über die Straße, ausnahmsweise auf das ganze Gebäude, nicht nur die Fenster. Diese Steinfassaden standen schon so lange hier, und so viel hatte sich verändert. Wie war es wohl 1930 gewesen, als ein vierzehnjähriger Junge downtown arbeiten konnte und keiner sich Sorgen machen musste? Bevor Terroristen Flugzeuge in die Luft sprengten und Maschinengewehre erfunden waren? Die Welt war schon immer ein gefährlicher Ort gewesen, aber früher brauchte es dazu mehr Anstrengung.
Ms. Elliott hatte sich nicht bewegt. »Wir haben einen Aufenthaltsraum für die Angestellten. Möchten Sie sich dort ein wenig ausruhen?«
Der freundliche Ton der Frau erschreckte Theresa. Sie musste dem Zusammenbruch nahe wirken. Sie straffte den Rücken, strich sich einige schlaffe Locken aus dem Gesicht und sagte: »Nein danke, ich muss hierbleiben«, mit so fester Stimme, wie es ihr möglich war.
Cavanaugh machte diesen Eindruck allerdings sogleich zunichte, als er ihr wie einem kleinen Kind befahl, sich von den Fenstern fernzuhalten. Es machte sie rasend, hauptsächlich, weil er Recht hatte. Sie und Peggy Elliott gingen zur Leseecke zurück, und Theresa setzte sich Cavanaugh gegenüber, als dieser erneut mit Lucas sprach.
»Was ist mit der jungen Frau passiert?«, fragte der Unterhändler so neutral, als ob er über Kopiertoner oder frischen Kaffee sprach.
»Welche junge Frau wäre das denn, Chris?« Wenn die zurückliegenden
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