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Schattenbrut (German Edition)

Schattenbrut (German Edition)

Titel: Schattenbrut (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susanne Seider
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erleichtert, als um sieben Uhr der Wecker klingelte. Ihr Kopf fühlte sich an, als würde ein prall gefüllter Ballon von innen dagegen pressen. Sie ging leise in den Flur, warf einen Blick ins Wohnzimmer und lächelte unwillkürlich. Orens Kleider lagen sorgsam zusammengelegt auf dem Sessel, seine langen, dunkel behaarten Beine ragten weit über die Armlehne der Couch hinaus. Die warme Fleecedecke war wirr um seinen Körper gewickelt, er hatte ihr den Rücken zugedreht und schnarchte gedämpft.
    Billy setzte in der Küche eine Kanne Kaffee auf, nahm eine Dusche und zog sich an. Dann ging sie leise ins Wohnzimmer und tippte mit den Fingerspitzen an Orens Bein. Sofort zuckte er zusammen und fuhr mit dem Oberkörper hoch. Billy wich zurück. Seine Augen blickten gehetzt umher, dann trafen sie Billys Blick und sein Gesicht entspannte sich.
    »Du hast mich erschreckt«, sagte er schlaftrunken und kratzte sich am Kopf.
    »Das war nicht zu übersehen.« Sie lachte leise. »Wie trinkst du deinen Kaffee?«
    »Schwarz.« Er gähnte. »Muss ich aufstehen?«
    Sie legte seinen Kleiderstapel auf den kleinen Tisch und setzte sich auf den Sessel. »Ich habe nachgedacht. Du kannst natürlich hier bleiben, solange du willst, aber meine Wohnung ist nicht gemütlich. Wie wäre es, wenn wir zu meiner Mutter fahren?«
    Er kniff die Augen zusammen. »Lass mal. Ich ziehe mich an und gehe nach Hause.«
    »Meinst du damit die Wohngemeinschaft mit dem Kerl, der aggressiv wird, wenn er high ist, oder deine Eltern in Hannover?«, fragte sie ironisch.
    »Die WG natürlich.« Er gähnte.
    »Meine Mutter würde sich freuen.«
    Er winkte ab und wirkte wieder unnahbar. Billy vermisste die Verbundenheit des gestrigen Abends. »Möchtest du duschen?«
    Er warf ihr einen amüsierten Blick zu. »Wenn du mich lässt.«
    »Natürlich lasse ich dich.«
    Er sah an seiner Decke herunter. »Ich habe nichts an.«
    »Oh.« Billy erhob sich verlegen. »Ich mache dann mal Frühstück.«
    In der Küche suchte sie ein paar Reste an Knäckebrot zusammen und stellte notdürftig ein Glas Marmelade, Butter und eine Packung Käse auf den Tisch. Sie frühstückte meist in der Kanzlei und war daher nicht vorbereitet.
    Als Oren sich zwanzig Minuten später zu ihr gesellte, war er geduscht und seine Haare glänzten nass. Auf seinem Kinn sprießten vereinzelte Bartstoppel und er sah Billy nicht an, als er sich setzte und nach einer Scheibe Brot griff.
    »Ich habe wirklich kein gutes Gefühl dabei, wenn du zurück in die WG gehst.«
    »Mach dir keine Gedanken«, murmelte er und legte eine Scheibe Käse auf das Knäckebrot.
    »Hast du eigentlich einen Job?«
    »Im Moment nicht.« Er starrte stur auf den Tisch und Billy hatte das Gefühl, etwas falsch zu machen. Sie wollte ihn nicht mit Fragen löchern, aber sein Schweigen war für sie unerträglich.
    »Wovon lebst du?«
    »Ersparnisse.« Ein paar Krümel fielen aus seinem Mund und sie sah ihm zu, wie er in gebeugter Haltung über dem Tisch saß und gedankenverloren aß. Als sein Brot schließlich gegessen war, hob er den Kopf. »Meinst du, deine Mutter hätte wirklich nichts dagegen, wenn ich sie besuchen würde?«
    Billy sah ihn überrascht an.
    »Ich meine, immerhin ist sie meine Großmutter, und ich würde sie gerne kennenlernen.«
    Billy dachte an Ursula und lachte. »Du würdest sie damit zum glücklichsten Menschen der Welt machen.«
    »Wohnt sie in Emmendingen?«
    »In Freiamt.« Sie sah seinen fragenden Blick und fügte hinzu: »Ungefähr fünfzehn Kilometer von hier.«
    Er brummte etwas, das sie nicht verstand, aber sie hatte keine Zeit, nachzufragen, denn er war bereits aufgestanden und begann, den Tisch abzuräumen. Eilig erhob sie sich und half ihm dabei, während sie ihn verstohlen musterte. So sehr er sich bemühte, stark und reif zu wirken, so sehr registrierte Billy auch den Jungen in ihm. Und das Bedürfnis, ihn zu beschützen, verdrängte alles andere in ihr, sogar den Schock über Clarissas Tod.
    »Wenn ich mit zu deiner Mutter fahre, kann ich dann gehen, wenn ich will?«, wollte er wissen, während sie ihre Handtasche packte.
    Sie verstand es selbst nicht, aber es rührte sie, dass er das überhaupt fragte. »Natürlich.« Sie lachte leise. »Du kannst gehen und auch kommen, wann du willst.«
    »Hast du was dagegen, wenn ich mein eigenes Auto nehme? Ich will nicht auf dich warten müssen.«
    »Klar.« Sie steckte ihr Handy ein und drückte Oren seinen Mantel in die Hand. Keine Minute später ließ sie ihren

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