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Schattenelf - 1 - Der dunkle Sohn

Schattenelf - 1 - Der dunkle Sohn

Titel: Schattenelf - 1 - Der dunkle Sohn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: R.A. Salvatore
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er sich, denn sämtliche Bilder, die er bislang im Spiegel gesehen hatte, waren nichts als Schatten gewesen, Grauschattierungen in trübem Licht. Also beugte sich Aydrian weiter vor und kniff die Augen zusammen. Dann kam ihm der Gedanke, ein wenig Licht zu machen, also griff er in seine Tasche und nahm ein paar Steine heraus. In dem schlechten Licht konnte er sie allerdings kaum erkennen, jedenfalls nicht gut genug, um sie voneinander zu unterscheiden.
    Aydrian wollte schon verzweifelt aufstöhnen, als er einen anderen Einfall hatte – die Idee, die Steine nicht etwa anzusehen, sondern sie anhand ihrer jeweiligen magischen Kräfte zu ertasten.
    Aydrians Lächeln wurde breiter; doch dann stockte er urplötzlich und betrachtete das Schattenbild im Spiegel. Natürlich wusste er eine ganze Menge über Nachtvogel, und er wusste auch, dass sein Vater es im Gebrauch der Steine nie zu besonderer Fertigkeit gebracht hatte. Und doch schien diese Idee, wie auch die genaueren Instruktionen zu ihrer Durchführung, auf ein tiefes Verständnis der magischen Steine hinzudeuten.
    »Wer bist du Geist?«, wiederholte er seine Frage.
    Als keine Antwort erfolgte, ging Aydrian der Sache nicht weiter nach. Statt auf den Spiegel richtete er sein Augenmerk jetzt auf die Steine und schloss die Augen, bis er die Steine nur noch ertastete; er redete auf sie ein und, viel wichtiger, lauschte auf jeden Einzelnen von ihnen.
    Nach wenigen Sekunden hielt er nur noch zwei Steine in der Hand. Den schwächeren der beiden rief er zuerst an. Kurz darauf spürte ein kühles Kribbeln auf der Haut, als sein Feuerschild errichtet wurde. Dann drang er in seinen zweiten Stein ein, von dem er wusste, dass es ein Rubin war, und erzeugte eine winzige Flamme.
    Das Schattenbild verschwand augenblicklich, aber in den Tiefen des Glases konnte Aydrian noch immer schwach die Umrisse einer riesigen Menschenstadt erkennen. Schließlich sah er nur noch den Widerschein seiner magischen Kerze und sein eigenes verdutztes Gesicht, das ihm aus dem leeren Spiegel entgegenstarrte.
    »Nein«, rief er und sprang auf – ein wenig zu hastig, denn er stieß sich beim Aufstehen den Kopf an einer frei liegenden Wurzel; er krümmte sich und hielt sich den Kopf. Wütend packte er den kostbaren Spiegel, zog ihn zu sich heran und stieß sich abermals den Kopf.
    Eine Welle des Zorns überkam ihn, und mit ihr kam ihm ein weiterer überzeugender Gedanke, und bevor er sichs versah, hielt er die Hand mit dem Rubin an den Wurzelstrang des Baumes über seinem Kopf und ließ seine mächtige Wut durch sich und den Stein hindurch nach oben strömen.
     
    Lady Dasslerond und drei weitere Elfen eilten durch den Wald; manchmal sprangen sie in die Luft und stiegen, mit ihren zarten Flügeln schlagend, bis zu den untersten Zweigen auf oder umschwebten diese, manchmal blieben sie auf dem Erdboden und schlugen dabei eine Gangart an, die eher an einen Tanz als an einen Lauf erinnerte und die eher Ausdruck ihrer Lebensfreude war als ein Mittel zur Fortbewegung. Dabei sangen sie mit einer gemeinsamen Stimme, die harmonisch mit den Geräuschen des nächtlichen Waldes verschmolz, und zwar so vollendet, dass einem zufälligen Lauscher der Gesang der Elfen in den Bäumen wohl nur schwerlich aufgefallen wäre. Was durchaus der Art der Touel’alfar entsprach: Sie wussten das Leben und die Schönheit mit einfachen Mitteln zu würdigen und verschmolzen mit ihrem bezaubernden Land zu einer vollkommenen Einheit. Die Hüter von Korona verstanden dies, sonst allerdings kaum jemand, denn das andere Gesicht der Touel’alfar offenbarte ihre Haltung absoluter Überlegenheit gegenüber allen anderen Arten, gepaart mit der Überzeugung, sie allein seien das auserwählte Volk. Nur die von den Elfen ausgebildeten Hüter konnten – zumindest in den Augen der Elfen – einem Angehörigen dieses Volkes annähernd das Wasser reichen.
    Für auszubildende Hüter, die den von Lady Dasslerond festgesetzten Maßstäben nicht genügten, konnte dies schwerwiegende Folgen haben.
    Daran dachte Dasslerond jetzt, als sie durch den Wald ging, nachdem sich ihr Verdacht, der junge Aydrian könnte den Beutel mit den Steinen ohne ihre Erlaubnis mitgenommen haben, bewahrheitet hatte. Vielleicht war es an der Zeit, die Ausbildung abzubrechen, sich ihr Scheitern einzugestehen und andere Wege zu suchen, dieses wunderschöne Tal der Elfen vom Makel Bestesbulzibars zu befreien.
    Die Gruppe näherte sich dem Baum, unter dem der junge Aydrian noch

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