Schattenelf - 1 - Der dunkle Sohn
würde es auch niemals werden. Nicht, dass er glaubte, seinem Verhältnis zu den Dorfbewohnern durch seinen Sieg über Rumpar bleibenden Schaden zugefügt zu haben – einige Jäger ließen sogar durchblicken, es sei höchste Zeit gewesen, dass jemand Rumper in die Schranken wies –, vielmehr erkannte Aydrian, wie sehr ihn ein Ort wie Festertool – oder jedes andere Dorf weit abseits der Zentren menschlicher Zivilisation – einschränken würde. Diese Erkenntnis schob der Ungeduld und dem für Menschen – insbesondere für junge Menschen – so typischen Tatendrang Aydrians zweifellos einen Riegel vor, aber erfüllt von der Weisheit der Touel’alfar fand er zu seiner Geduld zurück und betrachtete Festertool nicht so sehr als sein Zuhause, sondern eher als einen Zwischenhalt auf jener Reise, die zu seinem Schicksal werden würde.
Dementsprechend dachte Aydrian lange und ausgiebig über den Titel nach, den er sich jetzt selbst geben würde. Der Name musste angemessen sein und zu seinem Anspruch als Hüter von Festertool passen. Er erwog, seinen richtigen Namen mitsamt Nachnamen zu benutzen, doch das war zu riskant. Er wusste, dass die Dorfbewohner ihn für anmaßend hielten, aber doch nur, weil sie trotz seines Kampfes gegen Rumpar das wahre Ausmaß seiner Fähigkeiten, seine Überlegenheit, nicht verstanden.
Diese Erkenntnis brachte Aydrian schließlich auf seinen neuen Namen, jenen Namen, den er ganz offen tragen und der an seinen Vater Elbryan erinnern, ihn aber gleichzeitig auch ein kleines Stück über den Heldenstatus seines Vaters hinausheben würde. Elbryan war Tai’marawee, der Nachtvogel.
»Und ich werde von nun an Tai’maqwilloq heißen!«, rief Aydrian eines Abends in den Wald hinein. »Aydrian, der Nachtfalke!«
13. Mylady Jilseponie
»Sie werden mich nicht akzeptieren«, protestierte Roger Flinkfinger, nachdem Jilseponie ihm den Posten des stellvertretenden Barons von Palmaris in Aussicht gestellt hatte, für den Fall, dass sie nach Ursal ging.
»Sie werden dich genauso lieben wie ich«, widersprach Jilseponie.
»Das ist eine viel zu große –«
»Genug, Roger Flinkfinger«, unterbrach ihn Jilseponie tadelnd. »Du stehst in dieser Angelegenheit nicht allein, schließlich ist Dainsey bei dir. Und das Personal in Chasewind Manor kennt deine Pflichten gut genug, um dir ebenso zur Seite zu stehen wie übrigens auch Abt Braumin, jetzt, da er zurückgekehrt ist, um erneut die Führung von St. Precious zu übernehmen.«
»Warum hast du die Stellung als Bischöfin angenommen, wo du doch genau wusstest, dass du bald nach Süden abreisen würdest?«, wollte Dainsey wissen.
»Es ist eine Stellung, die von Dauer sein wird«, erläuterte Jilseponie. »Ich gehe davon aus, dass König Danube Abt Braumin als geistiges wie auch als weltliches Oberhaupt der Stadt bestätigt.«
»Ich sollte mich also nicht allzu häuslich in Chasewind Manor einrichten«, folgerte Roger, dessen Ton verriet, dass er in Wahrheit geradezu begeistert von der Aussicht war, Baron zu werden.
»Ich habe bereits mit Abt Braumin gesprochen«, erklärte Jilseponie. »Er wird dich mit wichtigen Aufgaben betrauen, mein Freund. Obwohl du, falls Braumin tatsächlich von König Danube als Bischof bestätigt wird, offiziell nicht den Titel eines Barons tragen wirst, so wirst du doch feststellen, dass deine Aufgaben und Pflichten deswegen nicht weniger bedeutsam oder anspruchsvoll sind.«
»Verantwortung ohne die entsprechende Anerkennung«, erwiderte Roger mit einem ebenso tiefen wie theatralischen Seufzer. »So geht das schon, seit ich Elbryan vor den Pauris gerettet habe.«
Das brachte ein Lächeln auf Jilseponies Gesicht, denn natürlich hatte sich besagte Rettung genau andersherum abgespielt.
Sie hörten, wie jemand ziemlich gereizt von weitem nach Jilseponie rief.
»Herzog Bretherford war immer schon recht ungeduldig«, sagte Dainsey.
»Er möchte gern die Flut erwischen«, erwiderte Jilseponie, obwohl sie genau wusste, dass Dainseys Einschätzung des Mannes genau ins Schwarze traf, insbesondere was diese spezielle Aufgabe anbelangte. Sobald das Wetter es zuließ, war Bretherford nach Palmaris gekommen; dabei hatte er sich nicht übermäßig erfreut über die Situation gezeigt und Jilseponie bei jeder nur erdenklichen Gelegenheit leicht säuerlich darauf angesprochen.
»Tja, ich fürchte, ich muss aufbrechen«, sagte sie zu ihren beiden Freunden. »König Danube wartet.«
Dainsey eilte herbei und nahm sie fest in die Arme,
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