Schattenelf - 4 - Feuerzauber
Gestalt.
»Stimme Gottes«, grüßte er.
»Wie viele Wochen wollt Ihr Euch noch hier drin vergraben, Kaliit?«, fragte Chezru-Häuptling Douan ihn unverblümt, »und Euch verstecken, während Euer Orden nach Mitteln und Wegen sucht, sich von der Katastrophe zu erholen.«
»Dieses Debakel ist vollkommen beispiellos«, erwiderte Timig mit kraftloser Stimme. »Ich weiß im Augenblick nicht, worauf ich mich als Erstes konzentrieren soll. Deshalb suche ich nach Unterweisung in der Meditation.«
»Ihr verkriecht Euch im Dunkeln«, widersprach Douan vorwurfsvoll. Hinter dem Chezru-Häuptling war ein leises Keuchen zu hören, das Kaliit Timig sofort dem überraschten Merwan Ma zuschrieb, Douans allgegenwärtigem Leibdiener, der der Armee bezeichnenderweise kurz vor dem Debakel noch den Rücken gekehrt hatte.
»Es ist mein Bestreben, den Orden nach besten Kräften zu führen, weiter nichts«, antwortete Timig mit aller Überzeugungskraft, die er derzeit aufzubringen vermochte.
Chezru Douan lachte spöttisch. »Ihr hättet Euren gesamten Orden in den Untergang geführt, wäre ich nicht eingeschritten und hätte Euch gezwungen, einen Teil Eurer Krieger hier zu lassen. Wo stünden die Chezhou-Lei jetzt, wenn Ihr alle miteinander in dieses gottverlassene Land aus Stein und Feuer marschiert wärt? Und wofür das alles, Kaliit Timig? Um den Tod eines einzigen Chezhou-Lei zu rächen, der in einem offenen und fairen Kampf getötet wurde?«
Der alte Kaliit ließ erneut den Kopf sinken; ihm mangelte es schlicht an Entschlossenheit, sich gegen die Stimme Gottes zur Wehr zu setzen. Denn seine Schuld, die sich wie eine Schlinge um ihn legte, war nicht zu leugnen. Davor gab es kein Entrinnen, weder dort draußen, indem er versuchte, etwas ein für alle Mal Verlorenes wieder aufzubauen, noch hier drinnen, wo er sich vor der bitteren Wahrheit in der Dunkelheit verkroch.
»Ihr seid Euch natürlich darüber im Klaren, dass viele der übrig gebliebenen Chezhou-Lei nach einer Erklärung suchen«, bemerkte Chezru Douan beiläufig. »Und viele andere haben Rache geschworen und hoffen, Ihr werdet den gesamten Orden in einem neuen Feldzug zu den Feuerbergen marschieren lassen.«
Die letzte Bemerkung bewog Timig, den Kopf wieder zu heben und Douan erstaunt anzusehen. Vielleicht wäre das die Lösung. Rache für die Toten zu nehmen, indem man den abscheulichen Jhesta Tu endgültig den Garaus machte. »Wenn Ihr mir Eure Armee überließet, würde ich die vernichtende Niederlage gewiss in einen glorreichen Sieg verwandeln können«, behauptete er kühn.
Wieder war das leicht spöttische Lachen zu hören. »In einen Sieg?«, wiederholte Douan ungläubig. »Einen Sieg gegen wen? Die Jhesta Tu? Aber die sind weder meine Feinde noch die von Behren, es sei denn, sie haben einen Feldzug angefangen, von dem ich nichts weiß.«
»Ein Jhesta Tu hat bei Dharyan gegen Yatol Grysh gekämpft«, erwiderte Timig. »Eben dieser Mystiker war auch unten bei der Wolkenfeste und hat sich, nach Aussage der Heimkehrer, an den dortigen Kämpfen beteiligt. Das ist doch gewiss …«
»… für mich vollkommen bedeutungslos«, beendete Chezru Douan den Satz. »Am besten, man behelligt die Jhesta Tu in ihrem Bergkloster erst gar nicht, dann lassen sie einen ebenfalls in Frieden. Ich werde mich hüten, einen schlafenden Drachen zu wecken, Kaliit Timig. Meiner Ansicht nach entspricht das eher Eurem Führungsstil.«
Der ätzende Spott dieser Bemerkung ließ Timig innerlich zusammenzucken.
»Vielleicht war es ein Fehler, Euren Kriegern mein Zwanzigerkarree hinterherzuschicken«, räumte Chezru Douan ein, nahm die Bemerkung aber augenblicklich wieder zurück, da sich ein solcher Fehler nicht ziemte für einen Mann, der in unmittelbarem Kontakt zu Yatol stand. »Andererseits, hätte ich die Soldaten nicht geschickt, wäre kein einziger Chezhou-Lei entkommen. Im Übrigen sind gewöhnliche Soldaten viel leichter zu ersetzen als Eure Elitekrieger. Womit die Verantwortung allein bei Euch liegt, Kaliit Timig«, betonte Douan. »Ich habe Euch diesen Unfug bewilligt, und zwar wider besseres Wissen, weil Ihr darauf beharrt habt, Eure Ehre um jeden Preis zu verteidigen. Nur frage ich mich, wie Ihr Euch jetzt noch ehrenhaft verhalten wollt. Ihr habt in Eurer Position versagt, daran besteht ja wohl kein Zweifel. Glaubt Ihr allen Ernstes, man sollte Euch weiterhin die Führung der noch verbliebenen Chezhou-Lei überlassen? Oder seid Ihr etwa zu feige, den einzig ehrenvollen Weg zu
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