Schattenelf - 6 - Der letzte Kampf
vorauseilen würde.«
»Das ist geschehen.«
»Und doch zeigt Ihr die Fahne aus vergangenen Zeiten«, bemerkte der Herzog. »Wir haben Euch eine neue mitgebracht.«
»Wir wollen diese Fahne nicht.«
Herzog Kalas zögerte, und Glendenhook bemerkte ein hämisches Grinsen, das unter dem Gesichtsschutz seines riesigen, mit einem Federschmuck versehenen Helmes immer breiter wurde.
»Wir zeigen die Fahne des Bärenreiches, die Fahne von Prinz Midalis«, fuhr der Abt unbeirrt fort. »Denn er ist der Nächste in der königlichen Erbfolge.«
»Die Angelegenheiten des Staates brauchen Euch nicht zu kümmern, guter Abt«, entgegnete Herzog Kalas ohne einen Anflug von Verärgerung in der Stimme. »Es obliegt allein dem Thron Ursals und nicht der abellikanischen Kirche, über die korrekte Fahne des Königreiches zu befinden.«
»Das mag sein«, beeilte sich Abt Glendenhook zu erwidern. »Und doch kann die abellikanische Kirche in dieser Angelegenheit nicht länger schweigen, denn der Aufstieg König Aydrians ist kein Ereignis, das allein den Staat betrifft. Wir wissen, wer seine Verbündeten sind, Herzog Kalas. Aber genug von diesem Geschrei.« Glendenhook trat von der Mauerbrüstung zurück und rief etwas nach unten, worauf das Tor von St. Gwendolyn sich knarrend öffnete.
»Unter den Bedingungen einer Waffenruhe«, rief Glendenhook über die Schulter von der Mauer herab.
Nach einem Seitenblick auf seine Allhearts ritt der Herzog an der Spitze seiner Gefolgschaft in den engen Innenhof der Abtei.
»Es war klug von Euch, die Tore zu öffnen«, begrüßte er Glendenhook und Oberin Treisa, als er und die übrigen Allhearts wenige Minuten später in Glendenhooks Privatgemächern mit den beiden zusammentrafen. »Einige Kapellen waren in ihrer Missachtung für König Aydrian hartnäckiger. Sie werden derzeit neu errichtet.«
»Eine Aufgabe, die Euer Herz zweifellos in Wallung bringt«, erwiderte Glendenhook mit leisem Spott.
Kalas warf ihm einen drohenden Blick zu.
»Was soll das freundliche Geplänkel?«, fragte der Abt. »Wir wissen, weshalb Ihr hergekommen seid, und Ihr wisst, warum wir uns entschieden haben, die Fahne zu hissen, die Ihr über unserer Abtei seht. Euer Hass auf die abellikanische Kirche ist uns nicht unbekannt, Herzog. Ebenso wenig sein Ursprung, denn Königin Vivians Tod hat jeden Abellikaner viele lange Jahre stark belastet.«
Glendenhook war sich bewusst, dass er mit dieser unverblümten Eröffnung einen Nerv getroffen hatte. Nur wenige Ereignisse waren ausschlaggebender für das Leben von Herzog Targon Bree Kalas gewesen als der Tod von König Danubes erster Gemahlin, Königin Vivian. An ihr Bett gerufen, hatte Je’howith, der damalige Abt von St. Honce, sich fieberhaft um ihre Rettung bemüht, doch leider war er zu spät an ihrem Krankenlager eingetroffen. Der Schicksalsschlag hatte König Danube schwer getroffen, Herzog Kalas aber hatte er noch viel tiefer verletzt. Er hatte in seinem Herzen eine Narbe hinterlassen, die sich immer wieder in Hasstiraden auf die abellikanische Kirche äußerte. In den mehr als zwei Jahrzehnten seit Vivians Tod war Herzog Kalas einer der größten Kritiker der Kirche gewesen, ein Kritiker, der sich unzählige Male über die Führung in Palmaris und über jedes andere Thema, ja sogar über die Pilgerreise zum Berg Aida ereifert hatte. Der schwierige Herzog war zu der Zeit, als Glendenhook in St. Mere-Abelle unter den ehrwürdigen Vätern Markwart, Agronguerre und Bou-raiy als Meister gedient hatte, Gegenstand zahlreicher hitziger Debatten gewesen.
»Königin Vivian ist nicht Gegenstand unseres Gespräches«, presste Herzog Kalas zwischen zusammengebissenen Zähnen hervor.
»Ach nein?«, erwiderte Abt Glendenhook und versuchte, jedes noch so unbedeutende Zucken im Gesicht des Herzogs einzuschätzen. Er wollte vernünftig mit Kalas reden, ihn nicht zu einem Zornesausbruch provozieren.
»Mein Marsch dient der Verbreitung der Worte König Aydrians«, erwiderte Kalas. »Wer sich ihm widersetzt, wird selbstverständlich ausgeschaltet werden, ob dieser Widerstand nun von Dorfoberen, vom Adel oder von der abellikanischen Kirche kommt. Eure Abtei existiert allein aufgrund der Großmut des Throns des Bärenreiches. Vergesst das niemals.«
»Auf dem Thron weiß man längst, welch stabilisierenden Einfluss die Kirche als Partner beim Erhalt der Macht des Königreiches hat«, warf die Oberin ein. »Es handelt sich um eine Partnerschaft zum gegenseitigen Nutzen.«
»Wenn Ihr
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