Schattenelf - 6 - Der letzte Kampf
also die Fahne König Aydrians hisst und ihn als Euren Herrscher anerkennt –«
»Gott allein ist unser Herrscher«, fiel Treisa ihm ins Wort.
Herzog Kalas betrachtete sie mit durchdringendem Blick, ehe er eine sanftere Miene aufsetzte und sich mit einem freundlichen Lächeln geschlagen gab. »Wenn dies Euer Glaube ist«, erwiderte er mit einem höflichen Lächeln. »Erlaubt, dass ich meinen Standpunkt anders formuliere. Wenn Ihr die Fahne Aydrians hisst, so zeigt das nur, dass Ihr ihn als rechtmäßigen Herrscher des Bärenreiches anerkennt.«
»Es ist die Person Eures Königs, der uns eine solche Betrachtungsweise erschwert«, erwiderte Abt Glendenhook. »Denn offenbar überschreiten seine Verfügungen die anerkannten Grenzen seines Königreichs.«
»Männer Eurer Kirche haben ihn aufgesucht, nicht umgekehrt«, entgegnete Herzog Kalas. »Abt Olin hat diesen König als Tatsache anerkannt und ihn akzeptiert.«
»Und auch Marcalo De’Unnero«, sagte Treisa.
»Den man wohl kaum als Mann unserer Kirche bezeichnen kann«, beeilte sich Glendenhook hinzuzufügen.
Herzog Kalas lachte amüsiert. »Und der mich gewiss nichts angeht«, erklärte er. »Gleichwohl möchte ich Euch versichern, dass Marcalo De’Unnero Euch töten würde, sähe er die Fahnen, die Ihr gehisst habt.«
»Dann möchte ich Euch bitten, ihn davon zu unterrichten«, erwiderte Treisa trotzig.
Herzog Kalas und Abt Glendenhook sahen sie erstaunt an, und den anderen Allhearts im Raum entfuhr ein lautes Keuchen.
Treisa ließ sich jedoch nicht beirren. »Wie kann ein Adliger wie Herzog Targon Bree Kalas, ein Freund König Danubes, mit diesem Verrückten namens De’Unnero gemeinsame Sache machen? Habt Ihr Eurem langjährigen Freund so gründlich abgeschworen? Ist die Treue der Allhearts ein so zerbrechliches Gut?«
»Sagt Eurer Ordensschwester, sie möge auf ihre Worte achten«, sagte Kalas warnend an Glendenhook gewandt.
»Sie spricht mir aus der Seele«, lautete die trockene Erwiderung des Abtes.
Einen Moment lang erweckte Kalas den Eindruck, als wollte er handgreiflich werden, doch Glendenhook griff das Stichwort seiner mutigen Oberin auf und fuhr fort. »Abt Olin hat sich eigenhändig aus der abellikanischen Kirche ausgestoßen. Ich gehe davon aus, dass man bereits in Kürze in St. Bondabruce einen Nachfolger für ihn ernennen wird.«
»Er ist bei seinen Mönchen überaus beliebt, die ihm hingebungsvoll dienen und im Übrigen überzeugt sind, dass er und nicht Fio Bou-raiy derzeit das Oberhaupt der abellikanischen Kirche sein sollte.«
»Dann wird der Nachfolger eben aus St. Mere-Abelle oder der benachbarten Abtei St. Rontlemore in Entel kommen«, erwiderte Glendenhook.
»Der Nachfolger«, sagte Herzog Kalas nachdenklich, »dürfte zweifellos ein recht kurzlebiges Amt antreten.«
»Weil die Krone ihren Platz im Königreich offenbar nicht akzeptiert«, erwiderte Glendenhook. »Die Angelegenheiten der Kirche müssen allein der Kirche überlassen bleiben! Wollt Ihr mit einer Armee nach St. Mere-Abelle marschieren, um Abt Olins allseits anerkanntes Unrecht wettzumachen?«
»Ich werde dorthin marschieren, wohin König Aydrian beschließt, mich hinzuschicken«, konterte Kalas. »Nach St. Mere-Abelle – oder mitten hindurch! Das spielt wohl kaum eine Rolle!«
»Das fällt nicht in die Befugnisse des Königs!«
Herzog Kalas schnaubte spöttisch und schüttelte den Kopf. »Ihr scheint nicht zu begreifen«, sagte er, nachdem er sich wieder beruhigt hatte. »Mit Aydrian hat sich alles verändert. Einst bin ich durch Aydrians Schwert in die Hände des Todes gefallen. Kein Abt, nicht einmal Euer Freund Bou-raiy, hätte …« Er hielt inne und ließ ein leises Lachen hören. »Und doch lebe ich«, erklärte er und sah Glendenhook dabei direkt in die Augen. »Ich lebe, weil das Bärenreich einen König hervorgebracht hat, der sogar den Tod bezwingen kann!«
Abt Glendenhook schüttelte verwirrt den Kopf und sah zu Treisa, die ebenso bestürzt zu sein schien. »Was ist das für ein Gerede?«, fragte die Schwester Oberin. »Das vermag niemand.«
»Jedenfalls kein Abellikaner«, stieß Kalas hervor. »Als Königin Vivian im Sterben lag, hat dieser Narr Je’howith ihr da vielleicht helfen können? Ihr Priester versprecht das ewige Leben. Nun, auf mein Wort, Aydrian hat bewiesen, dass er der Herrscher über den Tod ist. Ihr verurteilt ihn und mich, weil Ihr unfähig seid zu begreifen, weil Ihr so gefangen seid im Netz Eurer Rituale und falschen
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