Schattenelf - 6 - Der letzte Kampf
du uns gefunden, und ich fordere dich auf, wieder zu verschwinden«, sagte Pony wütend, ehe Bradwarden sie erneut sanft an der Schulter berührte.
Sofort fuhr sie abermals zu dem Zentaur herum. »Was erwartest du von mir?«, fauchte sie ihn an, ehe sie wieder zu Juraviel herumwirbelte. Der schmerzliche Zorn, den sie in diesem Moment verspürte, spiegelte sich deutlich in ihren klaren blauen Augen. »Und du, was erwartest du von mir?«, fragte sie den Elfen. »Ich dachte, du wärst mehr als alle anderen aus deinem Volk mein Freund.«
»Ich bin stets dein Freund gewesen, Jilseponie«, erwiderte Belli’mar Juraviel ruhig.
»Aber zuerst und vor allem warst du immer ein Touel’alfar«, blaffte Pony.
Juraviel senkte den Blick. In diesem Punkt musste er ihr Recht geben. »Ich habe sicher Fehler gemacht«, räumte er ein.
»Wenn ein Elf sich entschuldigt, ist das keine Kleinigkeit«, gab Bradwarden zu bedenken.
»Er entschuldigt sich doch nur, weil er mich jetzt braucht. Ist es nicht so?«, fragte sie Juraviel.
»Lady Jils–«, setzte Juraviel an, ehe er abrupt innehielt und tief durchatmete. »Pony«, verbesserte er sich. »Ich bin zu dir gekommen, weil es das Richtige war. Ich hätte dich gleich nach Markwarts Sturz, als der Friede im Land wiederhergestellt war, darüber unterrichten sollen, dass Aydrian noch lebt.«
»Ja, das hättest du.« Ponys unerbittlicher Ton ließ keinerlei Entgegenkommen erkennen.
»Das gilt für uns alle. Ich habe mit Lady Dasslerond mehr als einmal über dieses Thema gesprochen«, fuhr Juraviel fort. »Wir haben es trotzdem unterlassen. Dass Aydrian der Preis dafür sein sollte, dass wir dir und Elbryan gegen den abtrünnigen Markwart geholfen haben, war ihr Entschluss.«
»Ihr Preis !«, stieß Pony hervor.
»Es war ihre Entscheidung, nicht meine. Wenn eine Elfe zur Herrscherin über Andur’Blough Inninness berufen wird, dann lässt sie sich vielleicht beraten, aber gewiss führt sie keine Befragung unter ihren Untertanen durch. Lady Dassleronds Aufgabe war es, die Regeln aufzustellen, und meine war es, sie zu befolgen. Aber all das wusstest du schon seit vielen Jahren, ich habe dich über unsere Regeln nie im Unklaren gelassen. Keiner aus unserem Volk wäre auf die Idee gekommen, seine Entscheidungen unabhängig von Lady Dassleronds Geboten zu treffen – nicht einmal Tuntun, die an deiner und Elbryans Seite im Innern des Berges Aida ums Leben kam.«
Die Erwähnung des Namens Tuntun nahm Pony den Wind aus den Segeln, und ihr Zorn verlor ein wenig von seiner Schärfe. Die tapfere Tuntun hatte einst ihr Leben geopfert, um Pony und Elbryan zu retten. Sie war freiwillig eines grausamen Todes gestorben – im Dienste einer größeren Sache, für den Sieg über den geflügelten Dämon. Pony brauchte nur ihren Namen zu hören, und schon erinnerte sie sich an all das Gute, das ihr und ihren Lieben durch die Touel’alfar widerfahren war. An jenem grauenhaften Tag vor drei Jahrzehnten, als die Goblins Dundalis überrannten, hatten die Elfen sie und Elbryan gerettet. Die Elfen, allen voran Belli’mar Juraviel, hatten ihr bei all den schweren Prüfungen zur Seite gestanden und ihr in jener schicksalhaften Nacht auf dem Feld vor den Toren von Palmaris das Leben gerettet – und Aydrian auch.
»Was deinen Sohn betrifft, so hat meine Herrscherin eine falsche Entscheidung getroffen«, räumte Juraviel ein. »Das wusste sie, bevor sie ihr Leben opferte. Dafür möchte ich mich in ihrem, aber auch in meinem Namen bei dir entschuldigen. Dass ich meine Freundin so schrecklich enttäuscht habe, wird mich bis an mein Lebensende verfolgen.«
Seine Entschuldigung bewirkte, dass Pony weiche Knie bekam. Natürlich wusste sie, dass seine Worte von Herzen kamen, und sie sah den aufrichtigen Schmerz, der tiefe Furchen in sein hübsches Elfengesicht gegraben hatte.
»Was immer ich auch tue, nichts kann diese Dinge ungeschehen machen«, fuhr Juraviel fort. »Aber jetzt stehen wir – hoffentlich gemeinsam – vor einer Prüfung, die dem Auftauchen des geflügelten Dämons in nichts nachsteht. Dein Sohn Aydrian, ein skrupelloser Tyrann, verfolgt die gleichen Pläne wie damals Bestesbulzibar.«
Pony sank rücklings gegen die Höhlenwand und ließ sich in eine sitzende Stellung hinabgleiten. Sie merkte, dass Bradwarden sich zögernd über sie beugte und sie wortlos um ihr Einverständnis bat, also willigte sie nickend ein.
»Tja, von mir aus komm ruhig rein aus der Kälte«, sagte der Zentaur zu dem
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