Schattenfeuer
und taumelte weiter, inmitten einer dichten Wolke aus aufgewirbeltem Staub.
Mit wachsender Verzweiflung sah sich Rachael nach den Wagenschlüsseln um, konnte sie zunächst nirgends entdekken. Dann sah sie aus den Augenwinkeln ein metallisches Aufblitzen einige Schritte hinter ihr.
Eric hatte den Hang fast ganz hinter sich gebracht und gab einen seltsamen Laut von sich: einen dünnen, schrillen Schrei, eine Mischung aus heiserem Flüstern und gellendem Kreischen.
Donner grollte, noch näher diesmal.
Der Schweiß strömte ihr nach wie vor aus allen Poren, als Rachael nach Atem rang, und die heiße Luft brannte wie Säure in ihren Lungen. Mit zitternden Knien drehte sie sich um, lief zurück, zerrte die Schlüssel aus dem Sand und schob sie sich in die eine Tasche ihrer Jeans. Dann wandte sie sich sofort wieder dem Hang zu und begann mit dem Aufstieg.
Das unheimliche Knurren und Fauchen Erics wurde lauter.
Rachael wagte es nicht, sich umzusehen.
Noch fünf Meter bis zum Rand des Grabens.
Sie kam nur langsam voran, fühlte sich in einen Alptraum versetzt, in eine Traumwelt mit substanzlosen Barrieren, die alle Bewegungen lahmten. Immer wieder gab der weiche Boden unter ihr nach, und sie benötigte die Hartnäckigkeit einer Spinne, um weiterzuklettern. Entsetzen regte sich in ihr, als sie an die Gefahr dachte, auszurutschen und zurückzurollen, Erics Klauenhänden entgegen.
Noch vier Meter bis zum Rand des ausgetrockneten Flußbetts. Das bedeutete, sie befand sich jetzt über ihrem Verfolger.
»Rachael«, zischte das Eric-Etwas hinter ihr, und der jungen Frau lief es kalt über den Rücken.
Nicht nach unten sehen, fuhr es ihr durch den Sinn. Um Himmels willen: Sieh bloß nicht nach unten...
Vertikale Erosionsrinnen durchzogen den Hang, manche nur wenige Zentimeter schmal, andere bis zu einem halben Meter breit. Rachael achtete darauf, sich von ihnen fernzuhalten, denn an jenen Stellen war das Gestein besonders porös und neigte dazu, unter ihren nach Halt suchenden Fingern und Füßen auseinanderzubrechen.
Zum Glück gab es auch feste und stabile Felsvorsprünge, an denen sie sich in die Höhe ziehen konnte.
»Rachael..-«
Sie griff nach einem rund dreißig Zentimeter breiten Ge sims, das über ihr aus dem Hang ragte, doch gerade in dem Augenblick, als sie die Muskeln anspannte, gab unter ihrem rechten Fuß etwas nach. Aus einem Reflex heraus drehte sie den Kopf und sah zurück. Und dort war es, gütiger Himmel: Das Eric-Ungeheuer, dicht unter ihr. Mit der einen Hand hielt es sich fest, und mit der anderen versuchte es, sie zu packen.
Mit einer übermenschlichen, geradezu animalischen Agilität kletterte Eric empor, sauste der jungen Frau hinterher. Seine Gliedmaßen schienen wie Saugnäpfe selbst an losem Gestein festzukleben. Erneut streckte er den Arm aus, und inzwischen war er nahe genug heran, um nicht die Schuhsohle Rachaels zu berühren, sondern die Klauenpranke um ihre Wade zu schließen.
Aber die junge Frau bewegte sich nicht unbedingt wie ein Faultier. Sie war ebenfalls ziemlich schnell, reagierte sofort, als Eric sie zu ergreifen versuchte. Der hohe Adrenalinspiegel in ihrem Blut beschleunigte ihre Reflexe: Sie beugte die Knie, winkelte die Beine an und hielt sich nur noch mit den Händen fest, baumelte hin und her und vertraute ihr ganzes Gewicht dem schmalen Sims an. Und unmittelbar darauf streckte sie die Beine wieder, trat mit aller Kraft zu, traf die mutierten Finger der ausgestreckten Hand.
Eric heulte.
Rachael trat noch einmal zu.
Doch das Ungeheuer unter ihr rutschte nicht etwa in die Tiefe zurück, sondern hielt sich weiterhin fest, stützte sich mit dem Fuß auf einem anderen Felsvorsprung ab, schob sich in die Höhe und gab einen triumphierenden Schrei von sich.
Zum drittenmal streckte Rachael die Beine. Der eine Fuß
traf Erics Arm, der andere sein Gesicht.
Sie spürte, wie die Jeans aufriß, und nur einen Sekunden-
bruchteil zuckte sengender Schmerz durch ihren Leib: Eine Kralle hatte sich in ihr Bein gebohrt.
Das Etwas unter ihr brüllte wütend, verlor den Halt und hing über dem Graben, die Klauen nach wie vor in der Jeans. Dann gab der Baumwollstoff nach, und Eric fiel.
Rachael nahm sich nicht die Zeit zu beobachten, wie ihr Verfolger auf den harten Boden prallte, und zog sich am Sims empor. Stechende Pein pulste im Rhythmus ihres rasenden Herzschlags durch die überlasteten Arme. Die junge Frau biß die Zähne zusammen und atmete schnaufend durch die Nase, tastete mit
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