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Schattengefährte

Schattengefährte

Titel: Schattengefährte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Megan MacFadden
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abgeernteten Felder. Als sie den Waldrand erreichten, hatten die dunkeln Wolken fast den gesamten Himmel bedeckt, das Licht des Tages war matt geworden und hatte einen gelblichen Schein. Niam setzte ihre Hufe nur noch zögerlich, deutlicher als die Menschen spürte das Tier die seltsame Spannung, die in der Luft lag. Alina musste die Stute energisch mit den Fersen antreiben, sonst hätte Niam sich wohl kaum in die grünliche Dämmerung des Waldes gewagt.
    Schon oft war Alina in diesem Wald umhergestreift, sie kannte die schmalen Wege, die umgestürzten Baumriesen, auf denen Moose und Pilze wuchsen, das Dickicht rechts und links der Pfade, in das man besser nicht eindrang, denn es konnte den Unkundigen verschlucken und ihm den Rückweg unmöglich machen. Heute jedoch erschien ihr der Wald fremd, und der gewohnte Pfad machte Biegungen, an die sie sich nicht erinnern konnte. Tief hingen die Fichtenzweige herab, reckten sich über den Weg, als wollten sie ihnen den Durchgang verwehren, graue Schleier aus abgestorbenen Pflanzen spannten sich zwischen den unteren Ästen der Bäume, und aus dem knotigen Wurzelwerk am Boden schienen sie grimmige Gesichter anzustarren. Kaum ein Laut war zu hören, kein Vogelruf, kein Eichhörnchen, das keckernd von Ast zu Ast sprang. Nur wenn sie einen Moment stillstanden, um sich zurechtzufinden, vernahmen sie das leise Knarren der hohen Stämme.
    »Ich sehe nicht die Hand vor Augen«, stöhnte Ogyn, der immer wieder gegen die vorstehenden Äste stieß. »Geh du voraus, Knabe, du bist jünger und hast bessere Augen.«
    »Wollt Ihr wirklich weiterreiten, Herrin?«, fragte Baldin zweifelnd. »Es ist so finster hier, dass man sich leicht verirren könnte.«
    »Wie weit ist es denn noch, Ogyn?«, wollte Alina wissen.
    »Irgendwo muss ein überhängender Fels sein, Herrin. Dort gibt es eine Höhle.«
    »Das hättet Ihr mir auch gleich sagen können!«
    Alina kannte diesen Ort, häufig hatte sie auf der Jagd dort gerastet oder bei Regen Unterschlupf gefunden. Sie hatte sich in der kleinen Höhle immer behütet gefühlt und war gern dort eingekehrt, von einer Hexe hatte sie jedoch niemals auch nur die geringste Spur entdeckt. Hoffentlich war die ganze Sache nicht einfach nur eine Geschichte aus Ogyns Bücherkammer, genau wie die dummen Märchen von verbotenen Liebschaften, die ein so trauriges Ende fanden.
    »Lasst mich vorausreiten!«, forderte sie. »Ich glaube, meine Augen sehen schärfer als eure.«
    »Das mag wohl sein«, murmelte Ogyn. »Eure Mutter hat sie Euch vererbt.«
    Je weiter sie ins Herz des Waldes vorstießen, desto vernehmlicher wurde ein Rauschen in den Bäumen. Es schien, als sei ein Unwetter ausgebrochen, das die Wipfel bewegte, doch war hier unten auf dem Pfad kaum ein Windhauch zu spüren. Plötzlich blieb Niam stehen, verweigerte jeden weiteren Schritt, und ein heftiges Zittern lief durch ihren Leib. Als habe jemand ein Zauberwort gesprochen, brach ein heftiger Sturm über sie herein, zerrte an ihren Kleidern, trieb abgebrochene Äste und welkes Laub über den Pfad. Ein graues, schmales Wesen glitt aus dem Dickicht heraus, als habe der Sturm es zu ihnen hingetrieben und blieb dicht vor ihnen auf dem Weg stehen, die Vorderfüße gespreizt, den schmalen Kopf gesenkt. Es glich einem großen Hund, der Wind zauste sein langes Fell und entblößte die dunklen, gebogenen Krallen an seinen Füßen. Niam stieg in wilder Panik empor, so dass Alina Mühe hatte, sich im Sattel zu halten. Für einen kleinen Augenblick verharrte das Wesen vor ihnen auf dem Pfad, starrte sie mit bösen, rotglühenden Augen an, als warte es darauf, dass die Eindringlinge die Flucht antraten, dann verschwand es mit dem umherwehenden Laub im Gesträuch.
    Baldin war rücklings gegen eine Fichte gestolpert, Ogyn hatte sich vor Schreck auf den Boden plumpsen lassen.
    »Das war ein Wolf«, sagte Alina. »Was regt ihr euch auf – er wird uns nicht angreifen. Wahrscheinlich hat er selbst Angst bei diesem Sturm.«
    »Ich sah nichts als ein Paar rote Augen«, stammelte Ogyn.
    »Und Krallen wie gebogene Dolche«, vervollständigte Baldin. »Gut, dass ich mein Messer bei mir habe, junge Herrin. Ich werde den Burschen schon vertreiben, wenn er zurückkommen sollte.«
    Er kämpfte sich gegen den Wind zu Ogyn hinüber und zog ihn mit dem Einsatz all seiner Kräfte auf die Füße. Er hatte wirklich Schneid, der kleine Bursche, und Alina hoffte inständig, dass der Graue nicht zurückkommen würde, denn obgleich sie anderes

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