Schattengefährte
Ganz richtig. Silberhaut. Feenaugen. Nur das Haar. Nicht weiß wie Feenhaar. Ihr Vater ist ein Mensch.«
Aha, er schien von ihr zu sprechen. Jetzt wurde sie neugierig. Was störte ihn daran, dass ihr Vater ein Mensch war?
»Sie ist Etains Tochter, und sie gleicht ihrer Mutter viel mehr als dem Vater.«
Alina fuhr zusammen, denn das war Fandurs tiefe Rabenstimme. Zugleich verspürte sie ein frohes Gefühl, er war noch hier, sie hatte ihm Unrecht getan. Vielleicht glaubte er, sie schliefe noch, und er würde gleich in ihr Gemach kommen, um sich zärtlich von ihr zu verabschieden.
»Etains Tochter. Das ist gut«, versetzte die hohe Zwergenstimme. »Wir Zwerge lieben die Feen. Die Menschen lieben wir nicht. «
»Ich weiß, dass ihr um Mirdirs Reich trauert. Der Feenkönig schützte euch vor den Drachen und gab euch schimmernde Perlen für eure Edelsteine.«
»Vor den Drachen – ja. Auch vor den Raben«, kicherte der Zwerg. »Wir mögen die Raben nicht. Diebsgesindel. Stehlen glitzernde Steine. Gold. Silber. Alles, was glänzt.«
»Schon gut! Wir haben einen Pakt geschlossen, vergiss das nicht.«
Fandurs Stimme klang schnarrend, vermutlich war er ärgerlich. Alina verzog sich rasch hinter eine der dicken Säulen, denn jetzt waren die beiden sichtbar geworden, Fandur war noch in seiner menschlichen Gestalt, aber ohne Helm und Rüstung. Der Zwerg wirkte winzig klein gegen den hochgewachsenen Rabenkrieger, es musste Morin sein, denn er trug keine Haube, dafür hielt er jedoch einen beachtlich großen Hammer in der rechten Hand.
»Etains Tochter ist hier sicher. Schönes Kind. Haar wie rotes Gold. Haut wie blinkendes Silber. Augen wie grüner Topas, Feenaugen.«
»Ich weiß«, gab Fandur leise zurück.
»Ist sie deine Frau?«, piepste der Zwerg.
»Sie gehört mir.«
Alina hörte den Zwerg kichern. Ein hohes, heiseres Greisenkichern, in dem kalte Bosheit steckte.
»Dir? Eine Fee? Du Dummkopf! Du liebst sie. Ist es so?«
Alina spitzte die Ohren. Was würde er antworten? Niemals hatte er ihr seine Liebe gestanden – würde er sich jetzt verraten?
»Was geht dich das an, Morin«, schnarrte der Rabe.
»Gar nichts. Gar nichts. Du bringst sie hierher. Du versteckst sie. Morin ist nicht dumm. Du liebst die Fee. Du gehörst ihr. Nicht umgekehrt. Du gehörst der Fee, Dummkopf.«
»Ich bin ein Rabenkrieger, kein Mensch. Der Feenzauber wirkt nicht bei mir.«
»Du gehörst ihr!«, keifte der Zwerg hämisch.
Feenzauber, tückischer Bann
Schlägt dich in Fesseln, schmiedet dich an
Wie Spinnweb so zart
Wie Eisen so hart
Bindet den Krieger zu ewiger Fahrt .
»Halt den Mund!«
Morin kicherte immer noch, doch es klang jetzt eher wie ein Zischen, wahrscheinlich spuckte er dabei seinen Speichel aus, der ekelhafte Zwerg. Was für ein hässliches Lied er gesungen hatte. Aber auch Fandurs Reden gefielen ihr wenig. Von Liebe hatte er nichts gesagt, er war der Frage geschickt ausgewichen, der listige Bursche.
»Sorge lieber dafür, dass sie die Burg nicht verlässt. Niemand darf sie sehen, sonst ist sie in großer Gefahr.«
»Nicht nur sie. Wir alle. Morin ist wachsam.«
»Lass sie schlafen solange sie mag. Sie hat viel erlebt und braucht Ruhe. Und wenn sie erwacht, bedient sie mit Speis und Trank. Zeigt ihr die Burg, unterhaltet sie. Lasst sie nicht allein.«
»Der Rabe schwatzt ohne Ende. Morin weiß, was zu tun ist.«
Fandur stand jetzt dicht vor der weißgefrorenen Pforte, und sie begriff erschrocken, dass seine scharfen Augen sie durch das Eis der dicken Säule hindurch erspähen würden. Doch dann hörte sie, wie der Riegel gehoben wurde und die Pforte sich mit leichtem Knistern und Knarren öffnete. Ein Windstoß fuhr in die Halle, er trug Schnee mit sich, und sie musste ihren Mantel festhalten, denn sein Flattern hätte sie verraten können. Fandur wollte also doch fortfliegen, ohne sich zu verabschieden, aber immerhin tat er es, weil er sie nicht aus dem Schlaf wecken wollte.
Hatte er sich jetzt in den Raben verwandelt? Sie wagte nicht, sich zu bewegen, denn er sollte besser nicht wissen, dass sie dieses Gespräch belauscht hatte. Die Pforte wurde wieder geschlossen, ein Schlag mit dem Hammer schob den Riegel vor, dann war es still. Verflixter Zwerg, man hörte seine Schritte nicht, doch ihr schien, dass er sich immer noch an der Pforte zu schaffen machte, denn sie meinte ein leises Schnaufen zu vernehmen.
Man würde sie also bewachen, denn angeblich drohte ihr Gefahr, wenn sie die Burg verließ. Was konnte
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