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Schattengilde 01 - Das Licht in den Schatten

Titel: Schattengilde 01 - Das Licht in den Schatten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lynn Flewelling
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Eindruck noch. Er war beständig damit beschäftigt, eine nicht zu bändigende sandfarbene Locke aus dem Gesicht zu streifen, ohne dabei mit der anderen Hand Alecs Ärmel loszulassen. Seine Kleider waren von guter Qualität, aber abgetragen, und der saure Geruch, den sie verströmten, ließ darauf schließen, daß ihr Besitzer im nördlichen Ring lebte.
    »Es geht mir gut, danke«, erwiderte Alec, dem der Griff an seinem Ärmel unangenehm war.
    »So manchen stört ein solcher Anblick«, sagte der andere und schüttelte den Kopf. Ob er jedoch den Anblick solch gewaltsamen Todes beklagte oder Alecs schwachen Magen, konnte Alec nicht erahnen. »Ich hab’ dich gesehen und mir gesagt, ›da ist einer, der gleich umkippt!‹ Vielleicht setzt du dich besser da hin, bis es vorbei ist. Hartes Ende für Lord Vardarus, eh?«
    »Mir geht es gut.« Alec entriß sich dem Griff. »Wer ist Lord Vardarus?«
    »Er kam soeben vorbei. Wenn du auf den Wagen geschaut hättest, dann wäre dir auch der Rest von ihm aufgefallen. Heute morgen wurde er hingerichtet, weil er plante, den Vizekönig zu ermorden.« Der Mann spuckte aus. »Dreckiger Leraner, Verräter!«
    Vizekönig! dachte Alec und erinnerte sich an den heiteren Mann, den Myrhini ihm auf dem Paradeplatz vorgestellt hatte. Das war etwas, das er Seregil berichten konnte; Lord Barien war gewiß von der Hinrichtung seines Möchtegern-Mörders gekommen. Alec nahm sich vor, Seregil zu fragen, was ein Leraner war.
    »Es geht Euch also gut, junger Herr?« fragte sein vorgeblicher Retter.
    »Zum letzten Mal, ja!« Er nickte dem Mann kurz zu und warf einen Blick über die Schulter, um nach seinem Pferd zu sehen. Als er sich wieder umdrehte, war der Bursche verschwunden.
    Er schüttelte verwundert den Kopf und zog weiter.
    Die der See zugewandte Seite des Ringes war schwerer bewacht, und sein Paß wurde genau begutachtet, ehe man ihm den Zugang erlaubte. Auf der anderen Seite war das Gelände in einige große Koppeln unterteilt, in denen die Pferdeherden grasten, die den verschiedenen Einheiten des Militärs gehörten.
    Hunderte von Pferden standen innerhalb der Umzäunungen zu beiden Seiten der Straße. Pferdegeruch hing schwer in der Luft. Hier hatten auch die Sattelmacher und die Huf- und Waffenschmiede der Regimenter ihre Werkstätten, und Alec mußte feststellen, daß das hier keine ruhige Gegend war. Jede Koppel war mit dem Emblem des jeweiligen Regiments versehen. Er entdeckte Helm und Degen der Königlichen Reitergarde und das Flammenemblem der Reiter in den blauen Mänteln, die den Karren auf dem Markt eskortierten. Er sah auch andere Zeichen, die ihm neu waren. Soldaten in himmelblauen Hemden, die mit den leuchtend weißen Umrissen eines fliegenden Falken bestickt waren, hüteten einige Herden, die ausschließlich aus weißen Pferden bestanden. Andere trugen dunkles Purpur mit scharlachfarbenen Schlangen, die in verschlungenen Knoten zum Emblem wurden.
    Auf der Straße sah er Soldaten, Pferde, Heuwagen und Mistkarren. Inmitten dieser Gesellschaft zu Fuß zu reisen, war offensichtlich undenkbar. Jene, die nichts Besseres zu tun hatten, standen an den Gattern und sahen zu.
    Einige dieser Nichtstuer, sowohl Männer als auch Frauen, grüßten ihn mit Gesten, die nicht weniger eindeutig waren als die der Frau im Nordviertel. Schockiert durch das Verhalten der Stadtbewohner, trieb Alec sein Pferd an und ritt dankbar in einen großen Park jenseits des Palastes. Dann galoppierte er zum Erntemarkt und in die Straße der Korngarbe, die ihn ostwärts brachte.
    Überall drängten sich Menschen, die ihren Geschäften nachgingen. Selbst die Häuser standen so dicht aneinander, daß sie den Lärm aus den Straßen auffingen und zurückwarfen. Plötzlich wurde ihm der Trubel zuviel.
    Die Nachmittagsonne schien, als er den Astellus-Kreis erreichte. Er hielt an der Kolonnade. Auf der anderen Seite der Straße lag der bewaldete Park an der Nordseite des Rings. Nur eine Straße führte durch diesen Park, durch einen wunderschön verzierten Bogen. Reich gewandete Reiter und prächtige Kutschen kamen und entfernten sich hier in einem steten Strom. Neugierig ritt Alec näher.
    Der Park erstreckte sich zu beiden Seiten der Straße, und zusammen mit dem Bogen verlieh er dem Ort eine fast magische Ausstrahlung, als bestünde er ganz für sich, losgelöst von der Enge der Stadt. Hier waren die Villen nicht hinter Mauern verborgen, und Alec konnte die eleganten Fassaden bewundern. Trotz der frühen

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