Schattengilde 01 - Das Licht in den Schatten
Schließband verfügte.
Das Glasfenster ließ sich lautlos nach innen öffnen. Alec steckte die Werkzeuge wieder in seine Rocktasche, zog sich am Fensterrahmen hoch und wand sich mit den Füßen voran hinein. Als er sich in das Zimmer gleiten ließ, stieß er mit dem Fuß an einen Gegenstand, der klappernd umfiel. Er ließ sich das letzte Stück mit dem Rücken zur Wand herunterfallen und lauschte angestrengt, doch alles blieb still.
Er tastete sich durch die Dunkelheit und zog seinen Lichtstein heraus. Ein umgestürzter Waschtisch lag neben ihm auf dem Fußboden.
Den Göttern sei Dank, daß es Teppiche gibt, dachte er erleichtert, stellte den Tisch wieder aufrecht hin und die Schüssel sowie den Krug an ihren Platz.
Das geräumige Schlafgemach war ganz im Stil Rhíminees eingerichtet. Die Bewohner der Stadt würden es als schlicht bezeichnen. Ein breites Bett mit Vorhängen aus durchscheinender Seide nahm den größten Teil der einen Raumhälfte ein. Am Fuß des Bettes lag ein offensichtlich achtlos hingeworfener Morgenmantel, und an die Polster lehnte ein geöffnetes Buch. Die Reste der Glut im Marmorkamin ließen darauf schließen, daß der Bewohner des Raumes vor kurzem erst fortgegangen war.
An den Wänden verteilt standen mehrere hohe Kleiderschränke und Kommoden. Neben dem einzigen tiefen Polstersessel vor dem Kamin stand ein kleiner Spieltisch. Weich gab der dicke, gemusterte Teppich unter Alecs Füßen nach, als er zu der Innentür hinüberschlich. Sie war unverschlossen, und so steckte er den Lichtstein ein und spähte vorsichtig durch einen Spalt hinaus.
Ein Korridor mit mehreren Türen zu jeder Seite zog sich die gesamte Breite des Stockwerkes entlang. Auf der rechten Seite – etwa in der Mitte – führte eine Treppe nach unten. Von dort drang Lichtschein herauf, Musik und Gesprächsfetzen waren zu hören.
Alec trat auf den Korridor hinaus und schloß die Schlafzimmertür hinter sich. Er rief sich die Lage des Arbeitszimmers ins Gedächtnis zurück und eilte rasch über den Korridor in Richtung einer zweiflügeligen Tür ganz am anderen Ende. Das mußte die Tür sein, die er suchte. Sie war durch ein kompliziertes Schloß gesichert.
Alec war nervös und fühlte sich beobachtet. Er probierte einen Dietrich aus und dann einen anderen. Schließlich schob er noch einen weiteren Draht ein und versuchte, ganz nach Gefühl, das Schloß zu erkunden.
Der Hausherr legte offensichtlich großen Wert auf seine Privatsphäre; genau wie bei den Fenstern war auch dies keine gewöhnliche Vorrichtung. Doch die endlosen Sitzungen an Seregils Werkbank zahlten sich nun aus. Das Schloß gab nach, und er konnte die Tür öffnen.
Ein Schreibtisch und Stuhl standen zwischen zwei hohen Fenstern, die den Blick hinaus auf die Straße gewährten.
Ein Blick nach draußen zeigte ihm, daß es dort mittlerweile noch lebhafter zuging. Alec zog die Vorhänge zu, nahm den Lichtstein heraus und setzte sich, um seine Suche zu beginnen.
Auf dem glänzend polierten Holz des Schreibtisches entdeckte er einige säuberlich angeordnete Gegenstände: Tintenfässer, ein Bündel unbeschnittener Schreibfedern, außerdem stand noch ein Sandstreuer auf einem Silbertablett neben einem Stapel Papier und einer leeren Kuriertasche. Nichts davon schien von Interesse zu sein, also wandte er sich den Schubfächern zu.
Zu beiden Seiten des breiten inneren Schubfachs befand sich jeweils ein schmales Fach. Das breite in der Mitte war verschlossen, gab aber ziemlich schnell nach. Drinnen lagen Päckchen mit Korrespondenz, mit Seidenschnüren zu Bündeln verschnürt, dazu ein Stab Siegelwachs, ein Sandpinsel und ein Brieföffner.
Das linke Schubfach war mit Seide ausgelegt und enthielt vier Haarlocken. Jede war sorgfältig mit einem Band zusammengebunden, und eine edelsteinverzierte Nadel schmückte eine dicke, rabenschwarze Locke. Alec faßte über diese Andenken hinweg und fand einen Samtbeutel, in dem ein dicker, goldener Ring und eine kleine Elfenbeinfigur, die einen nackten Mann darstellte, lagen.
Im dritten Schubfach lagen eher gewöhnliche Dinge – gebrauchtes Löschpapier, Wachstäfelchen, Schreibstifte, ein Knäuel Bindfaden, ein Häufchen Spielsteine –, aber nichts, das auch nur im entferntesten einer Dokumentenmappe glich.
Alec ging zur Tür und blickte abermals auf den Korridor hinaus, ehe er sich wieder am Schreibtisch zu schaffen machte.
Nun zog er alle drei Schubfächer heraus, stellte sie nebeneinander und entdeckte, daß die
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