Schattengilde 01 - Das Licht in den Schatten
Sees. Es war angenehm hier ganz oben im Haus, ruhig und warm. Alec dachte darüber nach, daß er es an einer Hand abzählen konnte, wie oft er sich jemals alleine in einem richtigen Haus aufgehalten hatte, auch war er niemals so hoch oben in einem Gebäude gewesen.
Er genoß dieses neue Gefühl eine Weile, dann seufzte er und machte sich daran, die Treppe wieder hinunterzusteigen.
Er sah sich in dem lauten Schankraum um, bis er Seregil erblickte, der mit dem Wirt sprach, und wieder war er völlig überrascht über den Unterschied zwischen ›Aren‹ und Seregil; ihre Bewegungen und die Form des Mundes waren so sehr verschieden, als wären es tatsächlich zwei Männer.
Seregil blickte auf und winkte ihn ungeduldig zu sich. Alec zwängte sich durch die zechende Menge.
»Aber ja, wir sind gerade in der Stadt angekommen«, hörte er Seregil sagen, »aber ich werde morgen bei eurem ehrenwerten Bürgermeister vorsprechen.« Er hüstelte in die vorgehaltene Hand und fügte hinzu. »Ich habe mir wohl heute den Hals etwas entzündet, aber eine gute Nachtruhe wird meine Stimme wieder kurieren. In der Zwischenzeit könnt ihr euch von den Qualitäten meines Schülers überzeugen.«
Der Wirt war sichtlich verärgert darüber, und Alec blickte Seregil verwundert an, was dieser geflissentlich übersah.
»Ihr braucht nichts zu befürchten«, fuhr Seregil leichthin fort. »Der Junge ist ein Quell steter Überraschung für mich, was seine Fortschritte betrifft. Heute nacht sollt ihr eine Probe seines Talents zu hören bekommen.«
»Wir werden ja sehen, Meister Windover«, knurrte der Wirt zweifelnd. »Euer Schüler behauptet, seine Künste seien gut für mein Geschäft. Nun, je eher er anfängt, desto besser.«
Obwohl er eine kurze Verbeugung vor Seregil machte, war sich Alec sicher, ein schadenfrohes Glitzern in den Augen des Mannes gesehen zu haben, als er ging.
»Du warst ja recht beschäftigt«, bemerkte Seregil trocken, als er prüfte, ob die Harfe richtig gestimmt war. Die Zecher um sie herum wurden unruhig, sie wollten unterhalten werden.
»Mit deiner Stimme ist doch alles in Ordnung!« flüsterte Alec erschrocken.
»Ich habe heute nacht einiges zu erledigen, daher kann ich nicht die ganze Zeit hier im Mittelpunkt stehen. Du wirst deine Sache gut machen, sei unbesorgt. Ich habe gehört, daß du den Wirt auf eineinhalb Mark heruntergehandelt hast. Ich habe es nicht für möglich gehalten, daß der alte Gauner weniger als zwei verlangen würde. Allerdings bin ich neugierig, wie du es fertigbringen wirst, Plenimaraner hier in die Schenke zu locken.«
»Das weiß ich nicht«, gab Alec zu. »Es schien günstig für die Verhandlungen, es zu behaupten.«
»Nun, hoffentlich werden wir wieder unterwegs sein, ehe wir zu viele deiner Versprechungen einlösen müssen. Wenn aber nicht, so nimm meinen Rat an – geh den Soldaten aus dem Wege, vor allem, wenn du alleine bist. Das sind plenimaranische Marinesoldaten, und es gibt wenig, zu dem sie nicht fähig sind, wenn du verstehst, was ich meine.«
»Ich bin mir nicht sicher«, erwiderte Alec, verwundert über Seregils Tonfall.
»Dann will ich es so versuchen. Sie haben ein Sprichwort: ›Sind der Dirnen nicht so viele, nimm dir Knaben für die Spiele‹. Verstanden?«
»Oh«, meinte Alec, und er fühlte, wie ihm das Blut in den Kopf schoß.
»Wie dem auch sei, du bist gewarnt. Jetzt ist es jedoch Zeit, deine Kunst unter Beweis zu stellen, mein kleiner Barde.«
Seregil stand auf und räusperte sich, ehe Alec noch Einwände geltend machen konnte.
»Höret, gute Leute«, ließ er gestenreich vernehmen. »Ich bin Aren Windover, ein ehrenwerter Barde, und der Junge hier ist mein Schüler. Auf der Reise in eure holde Stadt erkältete ich mir den Hals. Erlaubt uns, ungeachtet dessen, euch unterhalten zu dürfen.«
Unter begeisterten Rufen und mehr oder minder rhythmischem Klopfen von Humpen auf den Tischplatten nahm er wieder Platz. Man rief nach bekannten Balladen und nach mehr Bier.
Alecs Mund wurde trocken, als alle erwartungsvollen Gesichter im Raum sich ihm zuwandten. Er hatte gelegentlich solchen Versammlungen beigewohnt, war jedoch noch nie das Zentrum des allgemeinen Interesses gewesen.
Mit spitzbübischem Lächeln reichte Seregil ihm einen Krug Bier. »Mach dir über deine Zuhörer hier keine Gedanken«, flüsterte er, »sie haben volle Bäuche und halb leere Humpen.«
Alec nahm einen tiefen Schluck, und ihm gelang ein schwaches Lächeln als Antwort.
Seregil kannte
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