Schattengilde 01 - Das Licht in den Schatten
kennengelernt?«
Einen Augenblick lang dachte Alec, Seregil sei eingeschlafen oder aber er wolle nicht antworten, dann aber hörte er das Bett ächzen.
»Ich hatte geschäftlich in Alderis zu tun«, sagte er. »Das liegt in Mycenien, nahe der Küste. Meine Aufgabe war nicht leicht, und ich war noch ein Anfänger. Nun, ich stellte mich ungeschickt an und wurde gefangen. Meine Gastgeber verliehen ihrem Mißfallen recht deutlich Ausdruck und ließen, was von mir übrig war, weit vor der Stadt liegen. Sie hielten mich für tot; und wenn ich mich recht entsinne, war ich mir selbst über meinen Zustand nicht gänzlich im klaren. Als ich einige Tage später erwachte, lag ich in einer Hütte, und dort war auch Erisa.«
»Ich wette, sie kann mehr, als nur Menschen heilen«, sagte Alec und erinnerte sich an das Kribbeln, das von ihrem Stab ausging.
»Sie kann Menschen steuern, wenn sie es möchte. Ich habe schon gesehen, wie sie es tat, allerdings bedient sie sich dieser Gabe nicht gerne. Sie hat mir schon einige Male das Leben gerettet, trotzdem bin ich ein wenig nervös in ihrer Gegenwart. Man weiß selten, was ein Drysier denkt oder wie er die Dinge sieht.«
»Sie wußte, daß ich lausche.«
Seregil lachte leise. »Sie hätte es auch gewußt, wenn ich gelauscht hätte. Mach dir keine Gedanken, für einen Anfänger hast du deine Sache sehr gut gemacht. Jetzt ruhe dich lieber aus. Wir haben morgen einiges vor. Wir müssen dich neu einkleiden, und ich möchte mir diese Soldaten genauer ansehen.«
Wieder vernahm Alec das Ächzen des Bettes. Unter dem Fenster schlugen die Wellen sanft gegen die Pfähle, und das Geräusch ließ ihn eindösen. Fast wäre er fest eingeschlafen, als ihn Seregils plötzliches Lachen wieder weckte.
»Und deinetwegen müssen wir für den Bürgermeister singen!«
5
Freunde, die man trifft -
Feinde, die man sich macht
Blinzelnd setzte sich Alec auf, als Seregil früh am nächsten Morgen die Fensterläden aufstieß. Kalte Luft strömte in die Kammer.
»Es hat sich wohl niemand angeschlichen in der Nacht, aber du hast auch die Tür ausgezeichnet blockiert«, bemerkte Seregil und klemmte sich die Harfe unter den Arm. »Während du den Morgen verschlafen hast, habe ich nachgedacht. Deine Idee, für den Bürgermeister zu singen, war eine Inspiration. Dort wohnt doch schließlich dieser Boraneus. Ich habe auf dem Markt einiges zu erledigen. Such dir etwas zu essen, und komm dann auch dorthin, damit wir dich angemessen ausstatten können. Wenn du mich nicht zufällig vorher triffst, dann findest du mich in einer Stunde beim Schwertschmied Maklin. Nun mach Platz!«
Als Seregil den Raum verlassen hatte, zog sich Alec die Stiefel an. Draußen schien die Sonne auf die stille Oberfläche des Sees und schillerte um die vielen bunten Segel, die sich wie kleine Tupfen auf dem Wasser bis hin zum Horizont erstreckten.
So eilig er es auch hatte, Seregil auf den Markt zu folgen, nahm er sich doch Zeit, den Wohlgeruch von Bratwürstchen und Haferbrei auszukosten, der ihm entgegenschlug, als er die Treppe hinabeilte.
»Du bist der Schüler des Barden, nicht wahr?« fragte eine Frau, als er an der Türe haltmachte. »Komm rein, Junge! Dein Herr war soeben hier und sagte, ich solle mich darum kümmern, daß du zu essen bekommst.«
Seregil muß wirklich großzügig gewesen sein, dachte Alec, als sie ihm den Teller mit dicken Würstchen und Haferbrei füllte und ihm dann einen Krug Milch brachte und Gebäck dazu.
»Wie bist du nur so dünn geworden bei einem so freundlichen Herrn, hm?« Sie lächelte und sah zufrieden zu, wie Alec sich ihre Kochkünste schmecken ließ.
»Ich bin noch nicht lange bei ihm«, erklärte ihr Alec mit vollem Mund. »Vorher hatte ich es nicht leicht.«
»Nun, du solltest bei ihm bleiben. Er wird einen ehrlichen Burschen aus dir machen.«
Alec nickte zustimmend, obwohl er in dieser Hinsicht seine Bedenken hatte. Er ließ eine Münze auf dem Tisch, als er aufstand und sich auf den Weg zum Markt machte.
»Ich muß nur den gleichen Weg zurückgehen, den wir gestern nacht gekommen sind«, sagte er sich und zog los. Alec war zwar ein geschickter Fährtenleser in der Wildnis, aber Ortschaften hatten ihn seit jeher verwirrt. Diese engen, sich windenden Straßen sahen sich alle so ähnlich bei Tageslicht, und es dauerte nicht lange, bis er selbst den Weg zurück zum Hafen nicht mehr fand. Er verfluchte alle Städte und ihre Erbauer und beschloß, nach dem Weg zu
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