Schattengilde 01 - Das Licht in den Schatten
Vorgebirges der Erzberge, auch Asengais Gut war mit einem roten Punkt versehen.
Seregil konnte nichts weiter entdecken, rollte die Karte wieder zusammen, steckte sie in den Messingzylinder und legte sie wieder zurück in die Truhe. Im Schreibtisch fand er nichts von Wert, aber der Schrank beherbergte einen kleinen Seidenbeutel, in dem er eine goldene Scheibe an einer Goldkette fand.
Der Anhänger war auf einer Seite glatt, die andere Seite jedoch wies ein kompliziertes Muster aus abstrakten Linien und Ringen auf, die reliefartig gearbeitet waren. So sehr sich Seregil auch bemühte, er konnte sich das Muster nicht gut genug einprägen, um sich später wieder daran erinnern zu können. Leicht verärgert legte er es wieder an seinen Platz und schloß sich Alec an der Tür an. Nur etwa fünf Minuten waren vergangen.
Der nächste Raum war dem ersten nicht unähnlich, hier jedoch stand eine Depeschenkassette auf dem Tisch. Sie war mit Messingbändern beschlagen und durch ein eingelassenes Schloß gesichert. Seregil nahm sie, ging damit ans Licht und untersuchte das Schloß, dabei entdeckte er winzige Unebenheiten im Metall um das Schlüsselloch; Seregil kannte die Nadellöcher, die mit Bienenwachs und Messingpulver versiegelt waren. Jeder, der versuchte, das Schloß zu öffnen, während die Vorrichtung aktiv war, würde den Stich mindestens einer in Gift getauchten Nadel erleiden. Er tastete mit erfahrenen Fingern über die Köpfe der Messingnägel und fand einen an der linken hinteren Ecke, der sich drücken ließ. Ein deutlich vernehmbares Klicken ertönte. Seregil vergewisserte sich, daß er keinen weiteren übersehen hatte, dann öffnete er das Schloß und die Kassette.
Obenauf lagen kodierte Dokumente. Seregil legte sie zur Seite und fand eine Karte, die der größeren im ersten Raum nicht unähnlich war, hier aber waren nur zwei Punkte rot markiert; einer tief in den Schwarzwassersümpfen am Südende des Sees, und der andere irgendwo im Weiten Wald. Der Punkt in den Sümpfen war eingekreist.
Unterhalb der Karte lag ein Lederbeutel, der einen weiteren goldenen Anhänger enthielt.
Was in Bilairys Namen ist das? fragte er sich, verärgert darüber, sich keinen Reim auf das verwirrende Muster machen zu können.
Er tastete sich vorsichtig durch die Schichten von Kleidung in der Truhe, bis seine Finger plötzlich in der Nähe des Bodens auf beschlagenes Holz stießen. Als er die Kleider aus der Truhe nahm, fand er eine rechteckige Kassette, etwa eine Elle lang und halb so tief, die nicht verschlossen und nur durch einen Haken gesichert war. Er verzog den Mund zu einem bitteren Lächeln, als er den Inhalt sah. Vor ihm lagen eine Reihe kleiner, aber wirkungsvoller Folterinstrumente und einige irdene Gefäße. Nun war er sich gewiß, daß dieser Mann Mardus war. Seregil verwendete besondere Sorgfalt darauf, die Gegenstände wieder exakt so in die Truhe zurückzugeben, wie er sie herausgenommen hatte. Als er jedoch die Kleidung zurücklegte, rutschte eine weitere Lederbörse aus den Falten eines Gewandes. Darin fand er neue plenimaranische Münzen, zwei Ringe, ein Klappmesser und einige kleine Holzscheiben.
Es waren insgesamt acht Stück aus dunklem Holz, und jede hatte ein quadratisches Loch in der Mitte. Sie fühlten sich etwas ölig an, und alle waren auf einer Seite mit dem bereits bekannten komplizierten Muster versehen.
Da habe ich wohl doch Glück gehabt, dachte er. Diese wenig auffälligen Scheiben sahen nicht aus, als würde man sie so rasch vermissen. Er steckte eine ein, um sie später genauer zu betrachten.
Er hatte die Kassette gerade wieder geschlossen, als Alec ihm verzweifelt Zeichen gab. Jemand kam!
Seregil und Alec eilten leichtfüßig zum Fenster. Seregil öffnete es weit und stellte fest, daß das Dach von hier aus leicht erreichbar war.
Er hatte sich bereits auf die Schiefer hinaufgezogen, als er die beiden Wachen am Brunnen entdeckte. Für einen Augenblick stockte ihm der Atem. Er war für beide gut sichtbar, sollten sie nach oben sehen. Vermutlich jedoch übertönte das Lachen aus dem Festsaal das Geräusch seines Klettermanövers; vielleicht waren die beiden auch betrunken. Auf jeden Fall sahen sie nicht zu ihm hoch.
Alec folgte ihm, und Seregil packte ihn an den Handgelenken, um ihm zu helfen. Der Junge wirkte verängstigt, hatte aber Verstand genug, mit dem Fuß das Fenster hinter sich zuzuschieben.
Das Schieferdach war sehr steil, aber es gelang ihnen, auf die andere Seite zu kriechen
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