Schattengilde 01 - Das Licht in den Schatten
Ratschlag zu geben oder um stilistische Feinheiten zu streiten.
Als Alec versuchte, Micums Anweisungen zu befolgen, begann er zu vermuten, daß er bei zwei hervorragenden Meistern lernte. Bald schon schmerzte sein Arm, als er wiederholt Micums Scheinangriffe parieren mußte. Obwohl Micums Schwert schwerer war als sein eigenes, führte dieser es, als wiege es nicht mehr als ein Handschuh.
»Es tut mir leid«, sagte Alec schließlich und wischte sich den Schweiß von der Stirn. »Es ist schwierig, sich so langsam zu bewegen.«
Micum spannte die Schultern. »Das stimmt, aber du mußt lernen, deine Bewegungen zu kontrollieren und die Klinge zu führen, nicht nur damit herumzuhauen, bis du etwas triffst. Komm, Seregil, wir wollen ihm zeigen, wie es gemacht wird.«
»Ich bin beschäftigt«, erwiderte Seregil, der einige komplizierte Fingerübungen machte.
Micum stellte sich vor ihn und knurrte: »Leg das billige Spielzeug weg, du Säugling und zeig mir, daß du die Klinge zu führen vermagst!«
Seregil legte die Harfe beiseite und seufzte. »Das klingt ja fast nach einer Herausforderung …«
Er duckte sich an Micum vorbei, sprang auf die Beine, zog sein Schwert und führte sogleich einen Hieb mit der flachen Klinge nach Micums Schwertarm. Micum blockte den Hieb und konterte. Grimmig lächelnd und einander wüste Beschimpfungen an den Kopf werfend, fochten sie in der Höhle, sprangen über das Feuer und drohten Alec niederzutrampeln, bis er sich in den schmalen Spalt am Ende der Höhle zurückzog. Von dort aus beobachtete er begeistert und voller Bewunderung, wie sich die beiden mit der Anmut von Akrobaten oder Tänzern über den unebenen Boden bewegten.
Zunächst erschien es ihm, als verbrachte Seregil mehr Zeit damit, Angriffen auszuweichen, als sie zu erwidern – es hatte den Anschein, als bewege er sich völlig mühelos, als er hierhin und dorthin sprang, das Schwert hochriß, um einen Hieb abzufangen und sich unter einem anderen zu ducken, was Micum veranlaßte, seine Stellungen zu wechseln und ihm zu folgen. Aber auch Micum war kein tapsiger Bär, seinen Bewegungen wohnten Kraft und Anmut inne und ein unerbittlicher Rhythmus, wenn er angriff. Bald konnte Alec nicht mehr unterscheiden, ob Micum in Bedrängnis war oder bedrängte, oder ob Seregil die Oberhand hatte oder im Rückzug begriffen war.
Dieser Schaukampf endete mit einem Unentschieden; Micum wählte seine Bewegung mit Bedacht, wich einem Angriff aus, schlug Seregils Klinge beiseite und spießte eine lose Falte in dessen Hemd auf.
Im selben Augenblick jedoch hielt Seregil plötzlich seinen langen, spitzen Dolch in der Linken, und die Spitze stach direkt unterhalb Micums Herz durch dessen Wams. Einen Lidschlag lang standen die beiden unbeweglich, dann ließen sie voneinander ab und begannen zu lachen.
»Jetzt wären wir gemeinsam auf dem Weg an Bilairys Tor!« meinte Micum und steckte sein Schwert in die Scheide. »Du hast mir das Wams ruiniert.«
»Und du mein Hemd durchlöchert.«
»Bei Sakor, das geschieht dir recht dafür, daß du während eines ehrbaren Schwertkampfes diesen Rattenstecher gezogen hast, du falscher Bastard!«
»Ist das denn fair?« fragte Alec und wagte sich wieder aus dem Felsspalt hervor.
Seregil blinzelte dem Jungen zu und hatte dabei wieder sein schiefes Lächeln aufgesetzt. »Aber natürlich nicht!«
»Kein Wunder, daß du stets bei Illiors Händen fluchst«, knurrte Micum mit gespielter Verzweiflung. »Ich muß stets deine beiden Hände im Auge behalten.«
»Illior und Sakor.« Alec schüttelte den Kopf. »Du sagtest, sie seien wie meine Götter, aber daß sie im Norden in Vergessenheit gerieten.«
»Das ist richtig«, erwiderte Seregil. »Dalna, Astellus, Sakor und Illior; sie sind Teil der Heiligen Vier. Wenn du in Skala bist, solltest du mehr von ihnen wissen.«
Micum verdrehte die Augen. »Jetzt können wir genausogut den Rest der Woche hier verbringen. Wenn es um solche Dinge geht, ist er schlimmer als ein Priester!«
Seregil überhörte den Protest.
»Jeder dieser Götter herrscht über einen anderen Teil des Lebens«, erklärte er. »Und sie besitzen die heilige Zweieinigkeit.«
»Du meinst, daß Astellus die Geburt beschützt und die Toten geleitet?« fragte Alec.
»Genau.«
»Aber was ist mit den anderen?«
»Sakor hütet das Feuer und lenkt die Sonne«, erklärte Micum. »Er ist der Freund der Soldaten, aber er entfacht auch den Kampfgeist des Feindes und bringt Sturm und Dürre.«
Alec wendete
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