Schattengilde 02 - Der Gott der Dunkelheit
über. Irgendwie fanden Micum und Seregil einander in dem Getümmel und fochten Schulter an Schulter, Rücken an Rücken, während der gefährlich ausgeglichene Kampf unvermindert weitertobte.
Eine Weile schien sich kein Ende abzuzeichnen, dann aber tötete einer von Rhals Matrosen in dem Durcheinander den Kapitän des plenimaranischen Schiffes. Fast im selben Augenblick streckte Micum den Kommandanten der Marinesoldaten nieder. Verwirrung breitete sich unter den verbleibenden Feinden aus, und schließlich ergaben sie sich.
Jubel erhob sich von der Besatzung der Lady, als die überlebenden feindlichen Seeleute und Soldaten mißmutig die Waffen niederwarfen. Unter lautem Triumphgebrüll machten Rhals Männer sich daran, das besiegte Schiff zu plündern.
Zu Tode erschöpft, ließen Seregil und Micum ihnen ihren Spaß und sprangen zurück an Bord der Lady.
»Bei der Flamme, das war ein ziemlich harter Kampf«, keuchte Micum, stieß mit dem Fuß eine abgetrennte Hand aus dem Weg und ließ sich auf eine Luke plumpsen.
Seregil ließ den Blick über seinen Freund wandern und stellte fest, daß Micum lediglich einen Schnitt über einem Auge abbekommen hatte. Auch er selbst mußte einen oberflächlichen Schnitt an der Schulter hinnehmen. Er zog Oberkleid und Hemd aus und betrachtete die Wunde, dann preßte er einen Stoffetzen darauf, um die Blutung zu stillen.
»Für meinen Geschmack war das ein wenig zu knapp«, meinte er und sank mit dem Rücken zum Schott auf das Deck.
Rhal tauchte aus den Wirren rings um sie auf und kam zu ihnen. »Tja, wir haben das Schiff für Euch eingenommen, aber von der Besatzung sind noch gut und gern zwanzig Mann übrig«, teilte er Seregil mit. »Ich weiß, daß wir keine Gefangenen als Ballast brauchen können, aber ich sage Euch gleich, daß ich nichts damit zu tun haben will, besiegte Männer hinzurichten.«
»Das möchte ich auch nicht«, erwiderte Seregil matt. »Ich schlage vor, wir nehmen uns, was wir brauchen, einschließlich der Segel, und setzen die Besatzung mit Essen und Wasser auf dem Schiff aus. Wie lange werden die Reparaturarbeiten an der Lady dauern?«
Rhal rieb sich das Kinn, schaute sich um und begutachtete den Schaden. »Wir müssen einen neuen Mast setzen und die neuen Segel takeln. Mindestens bis morgen früh.«
»Wie viele Tage sind es noch bis Plenimar?«
Rhal betrachtete den Himmel. »Sofern uns das gute Wetter hold bleibt, drei, vielleicht vier Tage. Wenn wir die plenimaranischen Segel aufziehen, könnten wir uns die eine oder andere Schlacht ersparen.«
Fragend schaute Seregil zu Micum, doch der große Mann zuckte nur mit den Schultern.
»Dann tut es«, befahl Seregil dem Kapitän. »Und laßt die Plenimaraner dabei helfen.«
39
Folter
Hände. Hände auf ihm, die ihn berühren, betasten, quälen.
Alec schlang die Arme um die Knie und kuschelte sich in der Dunkelheit der winzigen Kabine eng zusammen, während er versuchte, die Erinnerung an die Berührungen zu verdrängen, und wünschte, er hätte Thero noch als Gesellschaft. Seit jener ersten Nacht an Bord der Kormados hatte er den jungen Magier nicht mehr zu Gesicht bekommen.
Mardus und seine Leute bedienten sich höchst raffinierter Mittel. In all der entsetzlichen Zeit seit seiner Gefangennahme hatten sie ihm keinen Kratzer beigebracht, keinen einzigen Tropfen Blut vergossen. Innerlich aber litt er Schmerzen.
O ja. Innerlich litt er gräßliche Schmerzen.
Der Dyrmagnos Irtuk Beshar, ein wandelnder Alptraum, hatte sich rittlings mit den verhutzelten Beinen auf ihn gehockt und die schuppigen Finger in einer bizarren Parodie der Lust über seinen Körper kriechen lassen, als sie sich gewaltsam einen Weg in seinen Verstand bahnte, um seine Erinnerungen zu vergewaltigen. Danach hatte sie ihn geküßt und eine Zunge, die sich wie ein schimmliger Lederlappen anfühlte, gegen seine zusammengebissenen Zähne gepreßt.
Der Totenbeschwörer, Vargûl Ashnazai, half ihr bei diesen Verhören, und Alec lernte bald, ihn noch schlimmer zu fürchten als den Dyrmagnos oder Mardus.
Irtuk Beshar führte ihre Folter der Sinnestäuschungen zwar mit Inbrunst aus, aber sobald sie damit fertig war, schien sie Alec völlig zu vergessen. Mardus war schwieriger einzuschätzen. Er war es, der die Folter leitete und Alec mit ausdruckslosen, unbarmherzigen Augen Fragen stellte, wobei seine Stimme stets sanft wie die eines Vaters blieb, während er eine Grausamkeit nach der anderen anordnete. Ansonsten jedoch legte er
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