Schattengilde 02 - Der Gott der Dunkelheit
Gefahrenzone, dann versetzte er Alec mit dem Fuß einen Stoß, daß der Junge ausgestreckt in klebrigem Blut und Erbrochenem landete.
»Ich freue mich schon darauf, dich aufzuhacken«, knurrte er.
Alec rappelte sich wieder auf Hände und Knie und funkelte den Totenbeschwörer trotzig an. Unwillkürlich wich Ashnazai einen Schritt zurück und hob die Hand. Alec stählte sich gegen neue Schmerzen, aber Ashnazai machte nur auf dem Absatz kehrt, stapfte davon und brummte Hauptmann Tildus im Vorbeigehen etwas zu.
Als zwei Soldaten Alec auszogen und ihn mit mehreren Eimern kalten Meerwassers abspülten, kehrte die Furcht zurück. Nachdem er sauber war, stecken sie ihn in eine weiche Robe und übergaben ihn wieder Tildus, der ihn nach unten in eine geräumige Kabine im Achterschiff führte.
Zu seinem Erstaunen fand er darin Mardus, Ashnazai, Thero, Irtuk Beshar und den schweigsamen, graubärtigen Totenbeschwörer Harid vor, die sich rings um einen niedrigen Tisch auf Kissen zurücklehnten. Ein junger Diener stellte einen weiteren Becher auf den Tisch und bedeutete Alec, es sich gemütlich zu machen.
»Komm, Alec, gesell dich zu uns«, forderte Mardus ihn auf und klopfte auf ein freies Kissen zwischen sich und dem Dyrmagnos. Auch er und die anderen hatten sich umgezogen und sämtliche Spuren der Greuel beseitigt, deren Zeuge Alec vor kurzem geworden war.
Es ist, als wäre nichts davon je geschehen, dachte er wie betäubt, zu verblüfft, um Einspruch zu erheben, als Tildus ihn zu seinem Platz geleitete und ihn niederdrückte.
Thero saß zu Irtuk Beshars Linken. Auf ihr Nicken hin hob er willenlos den Becher an die Lippen. Als er trank, troff Wein durch seinen Bart, während die leeren Augen auf einen Punkt in unendlicher Ferne starrten.
Der Anblick erfüllte Alec mit einem seltsamen Gefühl der Schuld, so als hätte er heimlich etwas Ungehöriges beobachtet. Rasch schaute er weg und wandte die Aufmerksamkeit dem Becher zu, in den der Diener fahlen gelben Wein einschenkte.
»Nur zu, mein lieber Junge, warum so schüchtern?« drängte ihn Mardus, der die Maske zuvorkommender Beflissenheit wieder aufgesetzt hatte. »Das ist ein hervorragender Wein. Vielleicht bringt er ja wieder ein wenig Farbe in deine blassen Wangen.«
»Starke Gefühlsausbrüche beeinträchtigen die Schönheit eines jungen Mannes wirklich sehr«, fügte Irtuk Beshar hinzu, deren koketter Tonfall ebensowenig zu dem verdorrten, geschwärzten Antlitz paßte wie die Roben und der Schleier.
Der ganzen Szene haftete etwas derart Unwirkliches an, daß Alec tatsächlich antwortete: »Ich möchte keinen Wein, vielen Dank«, als wohnte er mit Seregil dem Bankett eines Adeligen bei und spielte Sir Alec von Ivywell.
»Und was für feine Manieren er hat«, bemerkte Ashnazai. »Allmählich begreife ich Euren Standpunkt, Herr. Es ist wirklich schade, ihn zu töten. Er wäre eine Zierde für den Haushalt jedes Edelmannes.«
Die traumähnliche Losgelöstheit, die Alec empfand, steigerte sich noch, als die gräßliche Unterhaltung rings um ihn in höflichem Salonton weiterging. Wenn dies bedeutete, daß ihn nunmehr der Wahnsinn packte, betrachtete er es als Gnade Illiors. Wie dem auch sein mochte, jedenfalls spürte er, wie ihn plötzlich eine verschwommene Gelassenheit durchströmte. Diese Erfahrung hatte ihn schon des öfteren ereilt, obschon noch nie so heftig. Wenn der Tod die einzige Aussicht darstellte, fühlte man sich in der Tat ausgesprochen frei.
»Herr«, begann er. »Worum dreht sich das alles? Die Holzscheibe, die Krone? Ich weiß, daß mein Tod ein Teil davon sein wird, deshalb möchte ich es verstehen.«
Mardus lächelte breit. »Etwas anderes hätte ich von jemanden mit deinem Verstand auch nicht erwartet. Wie ich schon sagte, du und deine fehlgeleiteten Freunde, ihr alle seid Wegweiser in einer hehren und heiligen Suche gewesen, deren Bedeutung zunächst auch mir verborgen blieb. Mittlerweile aber hat mir Seriamaius offenbart, daß ihr alle nur Werkzeuge seines göttlichen Willens wart.«
Mardus hob den Becher und prostete Alec höhnisch zu. »Du kannst dir gar nicht vorstellen, wieviel Mühe ihr uns erspart habt, indem ihr so viele Teile des Helms zusammengetragen habt, auf daß wir sie uns mit einem einzigen kurzen Schlag zurückholen konnten. Ganz zu schweigen von dem Schaden, den wir den Orëska im Zuge dessen zufügen konnten. In einer Nacht ist uns gelungen, was andernfalls womöglich Monate, vielleicht sogar Jahre gedauert hätte. Und
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