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Schattengilde 02 - Der Gott der Dunkelheit

Titel: Schattengilde 02 - Der Gott der Dunkelheit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lynn Flewelling
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dran!«
    »Guten Abend, Alec!« begrüßte ihn Mardus und deutete mit ausholender Bewegung auf den östlichen Horizont. »Schau, erkennst du in der Ferne die Küste?«
    »Ja«, erwiderte Alec; bei dem Anblick kroch ihm der kalte Schauder einer weiteren, dunklen Ahnung über den Rücken.
    »Das ist Plenimar, unser Ziel. Seriamaius hat es gut mit uns gemeint, daß er uns so sanft über das Meer geleitet hat. Und jetzt ist es an der Zeit für den zweiten Akt der Vorbereitung.«
    Mit wachsendem Schrecken beobachtete Alec, wie die schwarz uniformierten Marinesoldaten zehn Männer und Frauen an Deck schleiften. Sie mußten der Quell des Wehklagens sein, das er nachts gehört hatte. All das war von langer Hand geplant gewesen; die Opfer waren sorgfältig im Laderaum untergebracht worden, wie der Wein, das Öl und das Mehl.
    Es waren keine Soldaten, sondern dürre, blasse, gewöhnlich wirkende Seelen, die verwirrt blinzelten und weinten, während man sie nahe der Reling zusammentrieb. Die meisten waren zerlumpt oder wie Arbeiter gekleidet; unschuldige Opfer, nahm er an, allesamt in den dunklen Gassen der Häfen aufgegriffen, die das Schiff vor Rhíminee angelaufen hatte.
    »O Illior«, flüsterte Alec, als Mardus sich neben ihn stellte; dabei war ihm kaum bewußt, daß er laut sprach. »Bitte nicht. Bitte nicht das.«
    Mardus legte ihm einen Arm auf die Schulter und schloß die Hand um seinen Nacken. Dann schüttelte er ihn freundschaftlich und sagte schwelgerisch: »Aber, aber, du solltest es genießen. Hast du denn immer noch nicht begriffen, was für eine bedeutende Rolle du dabei gespielt hast, dies hier zu ermöglichen?«
    Halb schwindlig vor Abscheu beging Alec den Fehler, zu Mardus aufzuschauen. Zum ersten Mal sah er in den Augen das ganze Ausmaß der blanken Grausamkeit des Mannes, und da wußte Alec so sicher, wie er je etwas gewußt hatte, daß Mardus ihm absichtlich gestattete, hinter die Maske zu blicken, und sich an Alecs Furcht und Verwirrung ergötzte, sie genoß wie ein anderer Mann die erste Liebkosung einer seit langem begehrten Geliebten genießt. Und wohl noch schlimmer war die Erkenntnis, daß Mardus ungeachtet dessen keineswegs wahnsinnig war.
    Einige der Gefangenen starrten Alec an und hielten offenbar ihn fälschlicherweise für einen ihrer Mörder.
    Er konnte dieses Ritual nicht noch einmal ertragen. Tildus hatte sich entfernt, als sein Meister herüberkam, und der Rest der Soldaten beobachtete die Zeremonie. Alec wand sich aus Mardus’ Griff und preschte auf die Reling hinter sich zu, in der unwillkürlichen, halb bewußten Absicht, über Bord zu springen, so weit wie möglich auf das Ufer zuzuschwimmen und zu ertrinken, wenn es sein mußte …
    Er hatte kaum zwei Schritte geschafft, als ihn eine tödliche Kälte erfaßte, seine Gelenke erstarren ließ und ihn schmerzlich auf die Knie zwang. Eine unsichtbare Kraft drehte ihm den Kopf, so daß er Vargûl Ashnazai erblickte, der eine Art Fläschchen hochhielt, das an einer Kette um den dürren Hals hing.
    »Gut gemacht, Vargûl Ashnazai«, lobte Mardus. »Bring ihn ein wenig dichter heran, damit er alles gut sieht.«
    Unfähig, den Kopf abzuwenden oder zu blinzeln, mußte Alec mitansehen, wie die zehn Opfer zu Ashnazais Füßen auf das Deck geworfen wurden. Zehnmal holte die Axt aus und sauste mit verheerender Genauigkeit herab; der Dyrmagnos nahm die Herzen nacheinander entgegen und wrang sie über der modernden Schale aus.
    Thero stand unmittelbar hinter ihr, und durch den eigenen, salzigen Schleier der Wut und Hilflosigkeit sah Alec, daß auch über Theros Wangen langsam Tränen kullerten. Es war ein schauriger Anblick, als beobachte man eine weinende Statue, aber zugleich ließ er inmitten des vor ihm ablaufenden Alptraumes einen plötzlichen Hoffnungsschimmer in Alec aufkeimen.
    Nachdem der Totenbeschwörer fertig war, präsentierte sich das vormals weiße Segeltuch scharlachrot. Ashnazai und der Dyrmagnos waren bis zu den Ellenbogen voller Blut, ihre Gewänder durchtränkt, die Haare naß. Das Blut breitete sich über das Deck bis zu der Stelle aus, an der Alec kniete, und benetzte seine nackten Knie.
    Mardus befahl den Soldaten, die Leichen über Bord zu werfen und brachte Thero wieder unter Deck.
    Vargûl Ashnazai schlenderte zu Alec hinüber und legte ihm eine blutige Hand auf die Stirn, wodurch er den Bann aufhob.
    Würgend klappte Alec vornüber zusammen. Ashnazai grunzte angewidert und riß den Saum seines bluttriefenden Mantels aus der

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