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Schattengilde 02 - Der Gott der Dunkelheit

Titel: Schattengilde 02 - Der Gott der Dunkelheit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lynn Flewelling
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Wolkenschleier.
    »Säule des Himmels, wie?« meinte Rhal, als er an jenem Nachmittag mit Seregil und Micum an der Reling stand. »Tja, der Name paßt zweifellos. Wie, um alles in der Welt, wollt ihr diesen Tempel auf so etwas Großem finden?«
    »Er befindet sich irgendwo in der Nähe des Wassers«, erwiderte Seregil leise und rieb sich unbewußt vorne über die Jacke; Micum hatte einen Leinenbausch über der wunden Stelle angebracht. Ziemlich seltsam erschien den beiden Freunden, daß die Verletzung kaum schmerzte.
    »Tja, es wird nicht ganz einfach sein, Euch an Land zu bringen.« Schützend legte Rhal die Hand über die Augen und spähte landwärts. Der Himmel war unverändert klar geblieben, aber aus dem Westen war ein Wind aufgekommen, der die Wellen hochtrieb und den Schaum von den weißen Kronen peitschte. »Ich sehe überall Brecher an den Felsen. Die Küste besteht hauptsächlich aus Klippen und Riffs. Ihr müßt einfach auf und ab kreuzen, bis Ihr einen geeigneten Landeplatz entdeckt.«
    »Ist das Boot bereit?« wollte Seregil wissen.
    Rhal nickte, ohne den Blick von der fernen Küste abzuwenden. »Wasser, Essen, alles, was Ihr verlangt habt. Ich habe mich persönlich darum gekümmert. Wir können Euch zu Wasser lassen, sobald Ihr Eure Sachen gepackt habt.«
    »Dann sollten wir uns besser sputen«, meinte Micum. »Es ist schon eine Weile her, daß einer von uns beiden gesegelt ist. Ich will auf jeden Fall noch genug Tageslicht haben, wenn wir uns da hinauswagen.«
     
    Nachdem das letzte Bündel und das letzte Faß im Steuerbordbeiboot der Lady verstaut waren, verabschiedeten sich Seregil und Micum von Rhal.
    »Viel Glück Euch beiden«, sagte der Kapitän feierlich und schüttelte ihnen die Hände. »Was auch immer Ihr dort drüben vorhabt, macht diesen plenimaranischen Dreckskerlen für mich die Hölle heiß.«
    »Ich wüßte nicht, was ich lieber täte«, versicherte ihm Micum.
    »Kreuzt, so lange Ihr könnt, vor der Küste«, sagte Seregil. »Wenn wir in vier oder fünf Tagen nicht zurück sind, oder wenn Ihr verschwinden müßt, segelt nach Norden und lauft den ersten uns freundlich gesinnten Hafen an, den Ihr findet.«
    Rhal hielt Seregils Hand noch einen Augenblick fest. »Beim alten Seebären, wenn das alles vorüber ist, möchte ich die Geschichte gerne hören. Paßt auf Euch auf – und findet den Jungen.«
    »Machen wir«, versprach Seregil und kletterte ins Boot. Er hockte sich neben Micum und schlang die Hände um eine der Wanten, die den kleinen Mast sicherten.
    »Festhalten!« rief Rhal, als seine Männer sich daran machten, das Boot über die Seite zu Wasser zu lassen. »Wartet, bis wir ein gutes Stück weg sind, ehe Ihr das Segel setzt. Viel Glück, Freunde!«
    Das kleine Boot schwang gefährlich an dem Tau hin und her, als es an der Seite des stampfenden Schiffes hinabgelassen wurde. Wellen schlugen danach, als es sich dem Wasser näherte, danach schwappten sie über den Rand herein. Seregil und Micum hielten sich so gut wie möglich fest und warteten, bis die Lady ein gutes Stück entfernt war, dann setzten sie das dreieckige Segel.
    Jäh gierte das kleine Boot und faßte eine weitere Wellenladung Wasser. Micum übernahm das Steuer und brachte das Boot an den Wind, während Seregil am Spierentau zog. Sobald sie den Kahn ordentlich auf Kurs gebracht hatten, schlang er das Spierentau um eine Klampe und begann, das Wasser über Bord zu schöpfen.
    »Du bist der Führer«, sagte Micum, schüttelte den triefnassen Umhang von den Schultern und machte es sich am Steuer ein wenig bequemer. »Was tun wir jetzt?«
    Seregil schaute zum fernen Ufer. »Wie Rhal gesagt hat, wir fahren näher ran und kreuzen auf und ab, bis wir einen Landeplatz entdecken.«
    »Da drüben ist aber jede Menge Küste, Seregil. Womöglich stranden wir Meilen entfernt von diesem Tempel.«
    Seregil schöpfte weiter. »Wenn ich tatsächlich der Führer aus Nysanders Prophezeiung bin, erkenne ich den richtigen Ort vielleicht, wenn ich ihn sehe.«
    Selbst in seinen Ohren klangen die Worte matt und wenig überzeugt, doch er wußte nicht, was er sonst sagen sollte. Dies war zweifellos kein geeigneter Augenblick, um zu gestehen, daß er, abgesehen von ein paar bruchstückhaften Träumen und der blutenden Narbe auf seiner Brust, leider ganz und gar keine Anzeichen göttlichen Geleits verspürte.
    Wie Rhal richtig beobachtet hatte, bestand der Großteil der Küste aus Riffs oder Klippen. Das Tosen der Brandung hallte über die

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