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Schattengold

Schattengold

Titel: Schattengold Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dieter Buehrig
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Ware schlecht wird. Auf den wehrhaften Wallanlagen patrouillieren Zinnsoldaten in Hundertschaften.
    Da, dort oben neben dem Burgtor, ist unsere Gasse, und das da muss unser Haus sein. Wie gemütlich es aussieht! – Mama und Papa sitzen drinnen vor dem Kamin. Sie ahnen nicht, dass ich sie von hier oben beobachte.
    Als wäre ich ihr Engel.
    Vor den Wänden stehen eisenbeschlagene Truhen. Der Prinz öffnet die größte davon. Sie enthält den sagenumwobenen Wikingerschatz. Goldketten, Münzen und Perlenohrringe leuchten mir im unsteten Schein der Fackeln entgegen. Der Prinz greift herein und zieht eine sonderbare Handpuppe hervor. Sie ist mit einem von kostbaren Perlen durchsetzten Kleid angetan.
    »Die schenke ich dir. Sie war einst der Schutzengel meiner Urgroßmutter, der Prinzessin von Nowgorod. Unsere Stadt trieb vor vielen Jahren Handel mit dem fernen Königreich. Und als man dort einmal eine Schiffsladung Salz und Tran nicht bezahlen konnte, wurde sie, um Lösegeld zu erpressen, gewaltsam in unsere Stadt verschleppt. Sie durfte nichts mitnehmen außer ihrem Schutzengel. Die Herrscher von Nowgorod aber waren geizig und lösten die Geisel nie aus. So blieben denn beide bei uns. Die schöne Prinzessin heiratete eines Tages unseren Fürsten, und die Puppe beschützt uns seither vor den Angriffen böser Feinde. – Jetzt soll sie dich bis in den Himmel begleiten.«

     
    Der Zauberprinz führt mich in einen anderen Raum, in dem ein großes, schweres Schiffsmodell, eine Kogge, von der Decke herabhängt. Es ist voll beladen mit Gewürzen, Wein und Tuchballen und stampft unter vollen Segeln gegen die tobende See.
    Gischtspritzer fliegen mir ins Gesicht.
    Aus der Nische des Raumes nähert sich ein Piratenschiff. Trotz des heftigen Kanonenbeschusses gelingt es ihm, sich mit in Teer getränkten Tauen an der Kogge festzumachen. Die Seeräuber entern ihre Beute unter Gebrüll. Köpfe rollen. Eine Stichflamme schießt aus dem Achterdeck.
    Mithilfe der Puppe gelingt es mir, mich aus dem Gemetzel herauszuhalten. Da kommt von Luv auch schon ein mit Kriegsvolk besetztes Fredeschiff der bedrängten Kogge zu Hilfe. Die Seeräuber müssen unverrichteter Dinge wieder abziehen.

     
    Weiter geht es mit dem Rundgang. In vielen Nischen stehen Geschützrohre. Die finster dreinschauenden Kanoniere geistern im Fackellicht schwankend um ihre Kanonen herum. Gott sei Dank gibt der Prinz den Befehl, nicht zu schießen.
    Er weist mich an, eine nach unten führende Wendeltreppe hinabzusteigen.
    Die Folterkammer.
    In einen ›Spanischen Mantel‹ hat man einen nackten Gefangenen eingezwängt. Die scharfen Klingen ritzen ihm bei jeder Bewegung in das Fleisch. Er jammert hilflos, Blutreste kleben auf dem kalten Steinboden.
    Auf einer Streckbank windet sich vor Schmerzen eine als Hexe verurteilte Magdfrau. Sie soll Obst verkauft haben, das vom Teufel besessen war. Ihre Gliedmaßen werden so lange auseinandergezogen, bis sie ein Geständnis ablegt. Dann soll sie auf dem Marktplatz öffentlich verbrannt werden.
    An der Wand hockt ein Brotdieb. Man hat ihn mit einem Halseisen und mit Hand- und Fußschellen an die Mauer geschmiedet. Der Kerkermeister holt einen Brandstempel aus der Feueresse und drückt ihm ein Brandmal auf die nackte Brust. Der Gefolterte schreit herzzerreißend auf.

    Jetzt wird es mir zu viel. Das Gesicht meines Traumprinzen hat sich in eine hässliche Maske verwandelt. Er lacht mich höhnisch an und tröpfelt mir aus einer kleinen Flasche eine bitter riechende ölige Flüssigkeit auf die Hand.
    Mir wird schwindelig. Mit dem betörenden Duft durchströmt mich ein nie erlebtes Glücksgefühl. Ich halte Hanna fest in den Händen. Mama gibt mir einen Kuss auf die Stirn.
    Ein grauer Schleier legt sich auf meine Augen. Im letzten Moment sehe ich, wie Papa einen in der Wand verborgenen Schalter umwirft.
    Ich verliere den Boden unter den Füßen und gleite schwerelos auf einem feinen blauroten Farbschleier durch einen nicht enden wollenden Tunnel. Unter einem Gebüsch am Ufer eines Wassergrabens bleibe ich liegen.

     
    *

     
    Wieder flog ein Fußball vor Krolls Füße. Er schreckte aus seinen Träumen auf. »Wenn man die Wahrheit doch herbeiträumen könnte …«, seufzte er halblaut.
    Der Inspektor ahnte nicht, dass er in seinem Traum schon recht nahe an die Wahrheit herangekommen war. Er steckte die Glasmurmel in die Tasche, stand auf und beförderte den Ball mit einem kräftigen Tritt hoch zur Jungenschar. Wieder

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