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Schattengold

Schattengold

Titel: Schattengold Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dieter Buehrig
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älteres Ehepaar beschwerte sich über die laute abendliche Musik der Nachbarn, ein Rentner konnte sein gestern Abend abgestelltes Auto nicht mehr finden, ein Junge meldete seine entlaufene Katze als verschwunden, dem Pizzabäcker hatte jemand eine Beule in sein Kurierauto gejagt und anschließend Fahrerflucht begangen, und ein paar Angetrunkene grölten in der Entzugszelle. Und das alles gleichzeitig.

    Dabei hatten die Beamten genug Schreibkram zu erledigen. Die vielen Anzeigen wegen gestohlener Wertsachen häuften sich in letzter Zeit. Die Liste der Betroffenen wurde immer länger. Zuerst traf es die Frau des Stadtpräsidenten. Ihre neue, bei Meister Ampoinimera gefertigte, karibisch aussehende Goldbrosche verschwand beim Einkauf auf dem Hauptmarkt im Gedrängel an den Gemüseständen. Warum musste sie zum Einkaufen auch unbedingt ihre neue teure Brosche zeigen?
    Und jetzt auch noch dieses spanische Ehepaar, das nur radebrechend Deutsch sprach. Der junge Mann, der die beiden zum Revier begleitet hatte, erklärte kurz die Situation. Der zuständige Beamte hatte die Nase voll.
    »Das mit den Schmuckdiebstählen nimmt jetzt überhand. Es wird Zeit, dass wir die Regionale Kriminalbehörde einschalten. Sollen die sich daran die Zähne ausbeißen!«
    Er rief im Büro von Inspektor Kroll an, der jedoch gerade wegen der Recherche nach den kleinen braunen Holzkugeln außer Haus weilte.
    So musste sich Hopfinger bequemen, die wenigen Schritte rüber zur Hauptwache zu gehen. Er hasste diesen Ort der Vulgärkriminalistik. Warum sollte er, der Spezialist für Mord und Gewaltdelikte, sich mit einfachen Raubfällen beschäftigen?
    Die Tatzeugen mussten Hopfinger umständlich alle Details bis ins Kleinste erläutern. Als sie die verborgene Eisentür im Gestrüpp unterhalb der Wallanlagen erwähnten, horchte der Kriminalassistent auf. Die kannte er doch aus dem Todesfall mit dem jungen Mädchen. Ob da eine Verbindung bestand?
    Prompt zeigte er reges Interesse an dem bis dato langweiligen Schmuckdiebstahl. Er zog seinen Armani-Mantel aus, setzte sich hinter den Schreibtisch des Reviervorstehers und fühlte sich ungemein wichtig.
    »Aha! Hatte ich mir doch gleich gedacht, dass es mit dem Tunneleingang etwas auf sich hat.«
    Er spitzte sorgfältig einen der abgewetzten Bleistifte an und machte sich Notizen.
    ›Donnerstag, 2. Juni, 13.35 Uhr. Juwelendiebstahl vorm Holstentor. Täterbeschreibung: männlich, mittelgroß, unscheinbares Äußeres. Vermutung auf international operierendes Verbrechersyndikat, da bereits vorher Anhäufung von ähnlichen Übergriffen. Dieb entkam durch einschlägig bekannten Schachteingang am Stadtgraben. Fundort Kinderleiche in unmittelbarer Nähe. Erkundung der unterirdischen Gänge zwingend erforderlich. Werde Spezialisten anfordern und die Operation »Tunnel« höchstpersönlich leiten.‹

     
    *

     
    Hopfinger war intelligent genug, um sich darüber im Klaren zu sein, dass er nicht persönlich in den unterirdischen Gang eindringen durfte. Als Leiter der Operation musste er außen vor Ort sein, um im Notfall weitere Hilfe anfordern zu können. Außerdem musste er den Überblick behalten.
    Und er wollte seinen neuen Armani-Mantel nicht unnötig schmutzig machen. Er ließ die Eisentür mit einer kleinen Sprengladung aufbrechen und schickte zwei mit Taschenlampen versehene Polizisten in den Schacht.
    Modrige Luft schlug ihnen entgegen. Sie entdeckten auf dem staubigen Boden ein paar deutliche Fußspuren, die sofort vermessen und fotografiert wurden. Der Gang war also offenbar schon mehrfach benutzt worden. Eine verrostete Schubkarre lag beladen mit einem Haufen Ziegelsteinen in einer schmalen Wandnische. Wartungsarbeiten waren hier wohl jahrzehntelang nicht mehr ausgeführt worden.
    Der Gang verengte sich nach wenigen Metern. Eine verschreckte Ratte flüchtete tief in den dunklen Tunnelschacht hinein. Von der Decke tropfte es den Männern auf den Kopf. Ab und zu bröckelten Erdklumpen und sogar kleine Deckensteine herunter.
    Plötzlich fluchte der vordere Polizist laut. Er war über ein verrottetes Kanalrohr gestolpert und gegen die schleimige Tunnelwand gefallen.
    »Verdammter Mistjob. Hier kommen wir nicht weiter. Außerdem wird es zu gefährlich. Der Schacht könnte jeden Moment einstürzen. Wir müssen zurück!«
    Draußen erstatteten sie Hopfinger Bericht. Außer der Sicherung der Fußspuren und der Erkenntnis, dass der Gang vor Kurzem benutzt worden sein muss, war bei der ganzen Aktion bisher nicht

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