Schattengold
viel herausgekommen. Man wusste immer noch nicht, wohin der geheimnisvolle Schacht führte. Selbst für die erfahrenen Männer der Feuerwehr wäre ein Einsatz wegen der Einbruchsgefahr zu riskant geworden.
Hopfinger kam eine Idee. Er wusste, dass die Lübecker Polizei aufgrund der permanenten Sparmaßnahmen des Senats nur über bescheidene technische Mittel verfügte. Er hatte neulich gesehen, dass bei seinem Nachbarn der Wagen einer Firma für Kanalinspektion und Rohrsanierung stand. Vermutlich hatten seine frechen Kinder mal wieder ihre Diktathefte wegen der mangelhaften Zensuren im Klobecken entsorgt.
Der Kriminalassistent holte sein Handy hervor und rief im Büro bei Frau Grell an, sie möge sich mit einer Rohrreinigungsfirma in Verbindung setzen.
»Und befehlen Sie den Kanalratten, sie sollen ihren Hintern schleunigst in Bewegung setzen. Ich kann mir meine Zeit schließlich nicht stehlen. Notfall. Geld spielt keine Rolle.«
Hopfinger konnte manchmal sehr ungemütlich werden, wenn er spürte, in einem Fall nicht voranzukommen.
Nach 20 Minuten raste, begleitet von einer Polizeistreife, der mit modernster Technik ausgerüstete Übertragungswagen der Firma quer durch die Parkanlage heran. Die mit neongelber Berufskleidung und roten Helmen ausgestatteten Männer stiegen aus. Sie rochen nach Kanalisation. Hopfinger ekelte sich. Er knöpfte seinen Armani-Mantel zu, als wolle er sich vor dem Gestank schützen.
»Wo ist hier das Problem?«, fragte der Einsatzleiter.
»Verdammt, konnten Sie nicht schneller kommen? Wir sind einem Verbrecher auf frischer Spur. Wenn alle so langsam arbeiten würden wie Sie, wären wir bald nur noch von Gangstern umringt.«
Er wies die Polizeiwache vor dem Stollenzugang an, den Männern freien Zutritt zu gewähren. »Lasst die Kanalratten rein! Die sollen endlich mal einen vernünftigen Job machen.«
Die Arbeiter warfen sich einen kurzen, bezeichnenden Blick zu. Sympathie herrschte auf beiden Seiten nicht unbedingt.
Der Einsatzleiter wies den Fahrer an, rückwärts so dicht wie möglich an das Eisentor heranzufahren. Dann öffnete er die hintere Wagentür, holte eine große Kabeltrommel heraus und schloss das rückwärtige Ende an einen Überwachungscomputer an. Vorn befestigte ein Arbeiter das fernsteuerbare Kanalauge.
»Über verschiedene Monitore und entsprechende Schalter können wir den Schacht ausleuchten und die eingesetzte Kamera per Mausklick und Hebel im Rohr positionieren und lenken«, erklärte der Vorarbeiter. »Wir benutzen ein 4,5 Millimeter mal 30 Meter langes Glasfieberkabel mit einer 32 Millimeter Farb-CCD-Kugelkopfkamera. Mit der Kamera erreiche ich maximal eine Geschwindigkeit von 1,5 Metern pro Sekunde.«
»Wenn Sie hier nicht so lange Vorträge halten würden, könnten Sie sogar 2,5 Meter pro Sekunde schaffen. Also ran an die Arbeit!«
Oben vom Kinderbolzplatz kam eine Schar Jungen heruntergestürmt. Einer hatte einen Fußball unter dem Arm. Neugierig näherten sie sich dem Ü-Wagen.
»Verschwindet hier! Das ist nichts für Kinder. Ab nach Hause, sonst brumme ich euren Eltern eine satte Strafe wegen Polizeibehinderung auf!«
Hopfinger hatte heute nicht seinen besten Tag. Die Kinder verdrückten sich verschüchtert zur Seite.
Langsam verschwand der kleine Kameraschlitten im Stollen. Auf dem Computermonitor konnte man alles haarscharf erkennen. Deutlich zeichneten sich die Spuren des Flüchtigen und die der beiden Polizisten, die bis zu dem Kanalisationsrohr vorgedrungen waren, im Staub ab.
Ab und zu huschte eine Ratte oder geisterte eine Kröte über den Weg. Bald musste das Kabel verlängert werden. Geschickt steuerte der Mann am Schaltpult den Kameraschlitten über dieses Rohr. Jetzt sah man nur noch die Spur des flüchtigen Golddiebes.
»Wir müssten jetzt mitten unter dem Stadtgraben sein«, meinte der Einsatzleiter.
»Ich will keine Vermutungen hören, ich brauche Beweise – und zwar bald, sonst reißt bei mir der Geduldsfaden!«, fuhr ihn Hopfinger unfreundlich an. Er fürchtete langsam um den Erfolg seiner ›Operation Tunnel‹.
Die Männer von der Kanalinspektionsfirma schauten sich vielsagend an. Einer grinste leicht und griff zu einer der vielen DVDs, die an der Seite lagen.
»Zu Dokumentationszwecken müssen wir alles mitschneiden«, sagte er in harmlos-geschäftigem Ton.
»Tun Sie, was Sie wollen, aber tun Sie es heute!« Hopfinger war wirklich am Ende seiner Kräfte. Immer noch kein nennenswertes Ergebnis außer einer dürftigen
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