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Schattengold

Schattengold

Titel: Schattengold Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dieter Buehrig
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der weiblichen Krone der Lübecker Unterwelt, einen Besuch abzustatten. Für das Plündern von Touristen war sie die anerkannte Spezialistin in der Stadt. Unter Profis kannte man sich, auch wenn man auf verschiedenen Seiten der Barrikade arbeitete.
    Rabea hielt er sich als zuverlässige Informantin warm. Mehrmals hatten ihre Tipps zur Verhaftung eines Ganoven geführt. Dafür drückte Kroll bei der Verfolgung ihrer eigenen Straftaten alle nur erdenklichen Augen zu. Auch wenn er dabei gelegentlich seine Dienstpflichten verletzte.
    Zur Roten Rabea pflegte Kroll aber noch ein ganz anderes Verhältnis. Als Junggeselle wurde er in Bezug auf Frauen nicht gerade verwöhnt. Er gehörte zu den zahlreichen Männern, die lieber von der Intimität mit dem anderen Geschlecht träumen, als sie real auszukosten. Dazu hatte er zu viele Enttäuschungen über sich ergehen lassen müssen. Seine Liebesabenteuer endeten all zu oft damit, dass ihm die Frauen nach kurzer Zeit schlichtweg einen Korb gaben. Mit der Zeit gewann er den Eindruck, dass er einfach nicht dazu geschaffen war, die Bedürfnisse dieser komplizierten Geschöpfe zu befriedigen.
    So begnügte er sich mit einer schüchternen Scheinwelt. Rabeas Kurven, die diese mit für ihn unergründlichen Mitteln geschickt in Szene zu setzen wusste, reizten zwar seine Fantasie. Zu gern hätte er die Schluchten ihres Blusenausschnitts erkundet. Doch einerseits traute er sich nicht, obwohl er wusste, dass sie eine Professionelle war. Und andererseits fühlte er, dass er das aus beruflichen, gewissermaßen aus ermittlungstechnischen Gründen, nicht durfte.
    Und das war auch gut so. So konnte er weiterhin von ihren weiblichen Reizen träumen, ohne sich der Gefahr der Erpressbarkeit auszusetzen.
    Hopfinger gegenüber erzählte er nichts von seinen realen und virtuellen Kontakten zur Unterwelt. Schließlich hatte der ja seine eigenen in der Drogenszene, das wusste er.
    Die Rote Rabea konnte ihm aber nicht weiterhelfen. Eine Goldkette am helllichten Tage zu klauen, das hätte sie, die ihr Gewerbe lieber im Schutze der Nacht ausübte, nicht gewagt. Auch in einschlägigen Kreisen war ihr diesbezüglich nichts zugetragen worden.
    Kroll glaubte ihr. Er fühlte, dass der freche Raub an helllichtem Tage nicht die Tat eines einfachen Taschendiebes sein konnte. Außerdem war da noch der Tunnel, die geheimnisvolle Querverbindung zu dem Fall des toten kleinen Mädchens.

Kapitel 7: Tagebuch der Zofe – 1. Teil

    Am Abend, nach getaner Arbeit, zog sich die Zofe Ria in ihre Räumlichkeiten zurück, eine kleine Dachwohnung mit einem schmalen Lukenfenster zum Garten hin. Den konnte sie allerdings von hier oben nicht einsehen, wohl aber drang jedes Geräusch wie aus dem Küchenschacht eines Grand Hotel zu ihr hinauf. Hier hatte sie sich ihr eigenes kleines, privates Reich aufgebaut.
    Ihre einzige Leidenschaft bestand darin, zweimal in der Woche ins Kino zu gehen. Sie liebte es, sich in diese Welt der Illusionen zurückzuziehen. Es waren nicht die üblichen Schinken, die man in den herkömmlichen Kinos anbot, welche Ria anzogen. Gleich ein paar Straßenzüge weiter befand sich das sogenannte ›Kommunale Kino‹. Hier zeigte man seltene Filme, cineastische Leckerbissen, Streifen gegen den Strich oder Schöpfungen ausländischer Filmemacher.
    Ria war Stammgast. Besonders gern besuchte sie außerdem die Lübecker Filmtage, auf denen weniger bekannte, meist nordische Regisseure ihr Können bewiesen. Die besten Streifen erhielten den ›Nordischen Filmpreis‹, ein ehrenvoller, ihrer Meinung nach aber leider nicht gebührend dotierter Preis. Die Stadt leistete sich in Sachen Kultur keine großen Sprünge.
    In einem kleinen Pappkoffer, der unter ihrem Bett lag, hob sie die Filmprogrammhefte auf. Immer wieder blätterte sie darin herum und schwelgte in Erinnerungen. Ihre wichtigsten Gedanken und Gefühle vertraute sie ihrem Tagebuch an, einem einfachen Oktavheft, das seinen Platz ebenfalls in dem Koffer gefunden hatte.
    Ria warf ihre Dienstkleidung achtlos auf einen Stuhl, kramte das Heft aus dem Versteck unter dem Bett hervor und legte sich, mit einem Bleistift bewaffnet, auf ihr Bett.

     

     
    Mittwoch, den 1. Juni – 21 Uhr

     
    Raik entgleitet mir.
    Heute weilte eine junge Sängerin bei der gnädigen Frau.
    Raik schien von ihr hingerissen zu sein. Ich beobachtete ihn heimlich. Er hat während des ganzen Konzerts seine Arbeit ruhen lassen und von unten aus intensiv gelauscht.
    Er spielt ganz gut Cello, wie

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