Schattengold
Kultobjekte, Kunstgegenstände, Goldschmuck und wertvolle Antiquitäten aus fernen Kulturen zu orten und mithilfe seines Sohnes zu bergen. Für Geldmünzen interessierte er sich nicht sonderlich. Sie galten ihm als Symbole der Krämerseele und gehörten seiner Meinung nach allenfalls in öffentliche Museen.
Kürzlich fiel ihm ein über 20 Jahre alter Artikel in den ›Lübecker Schriften zur Archäologie und Kulturgeschichte‹ in die Hände. Bei Ausgrabungen auf dem Schrangen fanden Wissenschaftler ein Kuhhorn, gefüllt mit über 100 Münzen aus dem Ende des 16. Jahrhunderts. Wie so oft erwies sich eine mittelalterliche Kloake als perfekter Fundort. Hier handelte es sich um den Abtritt des Frons, dem Scharfrichter der Stadt.
Da Herr Ampoinimera außerdem wusste, dass der Fron gleichzeitig als Gefängniswärter fungierte und in seiner Fronerei die Gefangenen beherbergt hatte, kam er auf die Idee, dass hier in der Nähe noch mehr zu finden sein müsse. Nicht selten versteckten die Ganoven ihre Diebesbeute in Kloaken oder an anderen, schwer zugänglichen Orten.
Auch hatte er von mysteriösen Fluchtversuchen gelesen. Eingekerkerte Räuber verschwanden spurlos aus der Fronerei. Weder von ihnen noch von ihrer Beute hörte man jemals wieder etwas.
Adrian brachte das in Verbindung mit den Geheimgängen, die er in frühen Lageplänen der Umgebung entdeckte. Einige Gänge um das ehemalige Katharinenkloster, der heutigen Oberschule, kannte er bereits.
In dem alten Buch entdeckte er die Angabe, dass die Fronerei erstmals im Jahre 1312 erwähnt wurde. Die mittelalterliche Gerichtsbarkeit war nicht gerade zimperlich. Verbrennen, enthaupten, rädern, henken (das Hinrichten mit dem Strang), stäupen (das Auspeitschen am Pranger) sowie das Abhacken von Händen zählten zu den üblichen Strafen. Gegen Ende des 15. Jahrhunderts verurteilte der Rat zwei Frauen, die Kleider und Tuche gestohlen hatten, dazu, lebendig unter dem Galgen begraben zu werden.
Sogar der legendäre Schelm Till Eulenspiegel soll in der Fronerei eingekerkert worden sein. Angeblich hatte er den Wirt der Ratsweinschenke betrogen. Eulenspiegel soll den Ratsweinkeller mit einem Krug voll Wasser, den er unter seinem Mantel verborgen hielt, und einem leeren Krug in der Hand betreten haben. Dort ließ er sich Wein einfüllen, vertauschte heimlich die beiden Krüge und hielt den mit Wasser gefüllten dem Schenk vor die Nase.
»Ich will den Wein doch nicht haben. Kauft ihr ihn mir für den halben Preis wieder zurück?«
Der redliche Mann schalt ihn aus: »Elender Kerl, der nicht weiß, was er will! Gib her, du kriegst dein Geld zurück. Dummheit soll man nicht noch strafen.«
Das tat denn auch Till Eulenspiegel. Der Schenk kippte das Wasser in sein Weinfass zurück, Till aber verließ die gastliche Stube mit einem Krug kostenlosen Weins.
Als der schlechte Scherz herauskam, wurde der Spitzbube zum Tode am Galgen verurteilt. Nur durch das Austricksen des Rates soll er mit dem Leben davongekommen sein. Schelme führten damals schon ein gefährliches Leben. Heute war das in Lübeck nicht anders, vor allem, wenn sie ihre Streiche auf politischem Boden ausfochten.
Die Fronerei auf dem Schrangen riss man erst im Jahre 1855 ab. Die Folterwerkzeuge, die im Zuge der Strafrechtsreform an praktischer Bedeutung verloren, schaffte man auf das Gelände der St. Katharinenkirche, die sich gleich neben der heutigen Oberschule befand. Zur Züchtigung der dortigen Zöglinge wurden sie wohl kaum eingesetzt. Die Lehrer kannten inzwischen moderne, psychologische Folterwerkzeuge.
Die Schüler übrigens auch.
Danach kamen die historischen Folterwerkzeuge in das St. Annenmuseum und später in das ehemalige Verlies des Holstentors, wo sie heute noch Touristen und kleine Kinder erschrecken.
Auf dem Marktplatz standen der Pranger und das Finkenbauer. In Letzterem schmiedete man die weniger üblen Missetäter an und stellte sie, ebenso wie die Verbrecher am Pranger, auch ›Kaak‹ genannt, öffentlich zur Schau. Die Passanten durften sie nach Herzenslust beschmähen und mit faulem Obst bewerfen. Lediglich das Werfen von festen Gegenständen war untersagt. Vielleicht hatte der Fron Angst, die Delinquenten würden das nicht überleben. Das hätte ihn schnell brotlos machen können.
Adrian tat einen Seufzer der Erleichterung. Wie gut, dass er in einer modernen, aufgeklärten Zeit lebte. Was ihn jedoch nicht davon abhielt, weiterhin dunkle Pläne zu schmieden.
»Man müsste eine Maschine
Weitere Kostenlose Bücher