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Schattengold

Schattengold

Titel: Schattengold Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dieter Buehrig
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beruhigendes Rollen. Die Flöte schlug versöhnliche Töne an, obgleich sie etwas entseelt wirkten, und das Cello stärkte Aina mit langen, warmen Klängen den Rücken.
    War die aufbrausende Lust den Kampf wert?

     
    »Wie der Blitz verschwindet das Vergnügen,
    Schwächer wird dein Atem,
    deine feuchten Augen schließen,
    dein Kopf senkt sich sanft.
    Niemals warst du so schön,
    Nahandove, o schöne Nahandove.«

     
    Erneut ein paar herrliche Takte, nur Aina und Raik allein. Innig ergänzten sie sich im Andante.

     
    »Wie süß ist Schlaf im Arm der Liebe,
    weniger süß das Erwachen.
    Du scheidest, und ich muss schmachten unter den
    Leiden und Sehnsüchten.
    Du wirst diesen Abend wiederkommen.
    Nahandove, o schöne Nahandove.«

     
    Ein letztes trockenes Aufbäumen der Flöte, trotz der Höhe pianissimo zu spielen. Was trieb Radamo zu dieser trotzig aufbrausenden, fordernden Geste? War er letztlich ebenfalls neidisch auf Raik?
    Den Zuhörern klang es in den Ohren, als hätten sich jetzt Mutter und Sohn gegen das Liebespaar in einem unheilvollen Bund der Eifersucht verschworen.

     
    »Nahandove, o schöne Nahandove.«

     
    Mpanandro – Dein Schicksal!
    Der Satz erstarb mit ein paar hilflosen Klaviertönen und einem ziellosen Sekundmotiv im Cello.
    In der Pause blieb es totenstill. Niemand wagte sich zu bewegen. Nur Hopfinger rutschte auf seinem Sitz in der letzten Reihe ungeduldig hin und her.
    So ein Cello ist eigentlich ein ideales Versteck für Diebesgut! Ich werde morgen einen meiner Leute darauf ansetzen. – Er schrak aus seinen kriminologischen Kombinationen hoch. Der zweite Satz begann mit einem wilden Fortissimo-Aufschrei.

     
    »Aoua! Aoua!
    Bewohner der Ufer, traut nicht den Weißen!«

     
    Wie viel Leid und Empörung steckte in den dissonanten, grellen Klängen! Ursprünglich war das Lied eine erschütternde Anklage der Unterdrückten gegen die Kolonialisten, Menschenverächter und falschen Priester, die das ferne Land aus Profitgier heimsuchten.
    Unter Ainas Führung erhob es sich in eine allgemeinere Sphäre, als wolle sie jede Art von Fremdbestimmung abschütteln, als wolle sie ihre eigene Art behaupten, ihren eigenen Weg gehen.
    In Raik fand sie den angemessenen Begleiter.
    Die beiden Ampoinimera zeigten nun ein Höchstmaß an Mitgefühl. Als wären sie durch Ainas Gesangskunst in die Musik einer unbewussten Heimat zurückgekehrt. Die Anwandlungen von Eifersucht schienen überwunden angesichts der Solidarität mit den Unterdrückten.
    Das abschließende »Aoua! Aoua!«, diesmal jedoch im pianissimo, ging unter die Haut der Zuhörer.
    Nur Hopfinger war enttäuscht, erhob sich und verschwand geräuschvoll. Er wusste nicht, dass noch ein dritter Satz folgte. Man drehte sich verärgert nach ihm um.
    Den Abend hätte er sich sparen können, nicht die geringste Spur von einer Hehlerbande. – Aber das mit dem Celloversteck wollte er im Auge behalten.
    Sein unsensibler Abgang übertönte die weiche, tiefe Des-Dur-Melodie der Querflöte. Über ihrem langen Atem baute sich erneut die Stimmung aus dem ersten Satz auf. Flöte und Cello wetteiferten mit der Gesangsstimme, wobei vom Blasinstrument eine recht materialisierte Stimmung ausging. Es war, als würden sich in den beiden Instrumenten Herz und Hirn gegenüberstehen.
    Das Klavier hielt sich dezent zurück, als wäre es in ein grundloses Meer der Apathie hineingestürzt.
    Mit ihrem hingebungsvollen Gesang gab Aina der Musik eine tiefe Bedeutung. Die Zuhörer fühlten, dass die Liebe zur Heimat unverkennbar durch den Raum schwebte.
    Jedoch eine ferne Heimat, eine, nach der sie sich sehnte.

     
    »Es ist süß, sich in der Hitze des Tages niederzulegen

      unter einen schattigen Baum

    Hoffend, dass der Abendwind die Frische mit sich bringt.

    Komm näher, Frau, während ich hier unter dem

    schattigen Baum ruhe

    Betöre mein Ohr mit deinem weiten Gesang.

    Wiederhole das Lied von dem Mädchen,
    das ihren Zopf flechtet
    Oder das beim Reisfeld sitzt
    und die gierigen Vögel verjagt.«

     
    Der Satz schloss mit wenigen Tönen Sologesang, fast rezitativisch.

     
    »Geh, es ist Zeit für das Gastmahl.«

     
    Der lapidare Satz hatte etwas von der Maxime des Horaz: ›Kläre den Wein und beschränke ferne Hoffnung auf kurze Dauer.‹
    Die junge Sängerin legte jedoch eine tiefere, ihre heimliche Botschaft hinein.
    Dieser Satz symbolisierte ihren geistigen Abschied von den Eltern und von Lübeck, ihren Entschluss, zu ihren Wurzeln

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